Kunst am Körper

■ Kunstszene, diesmal völlig erotisiert: „Fabelhafte Fabelwesen“wandelten im Gerhard-Marcks-Haus

Der vergangene Donnerstag war für Bremens Kunstszene ein Tag der Erotik. Als hätten sie sich abgesprochen, gab's um 17 Uhr im Gerhard-Marcks-Haus zur Finnissage der Ausstellung „Künstler arbeiten in Papier“eine überaus sinnliche Modenschau und am Abend im Haus am Deich die Vernissage von „Exotik – Erotik“.

Zwar ging es bei dem, was die StudentInnen der Hochschule für Kunst und Design der renommierten Burg Giebichenstein bei Halle im Gerhard-Marcks-Haus präsentierten, nicht ausdrücklich um Erotik. Doch das Gezeigte läßt sich kaum anders definieren. Denn das raffinierte Spiel von Ver- und Enthüllung war es, das die ModeschöpferInnen um die Professoren Thomas Greis und Joachim Schielicke zu ihrer Schau „Fabelhafte Fabelwesen – die Farbe Weiß“inspiriert hatte. Und so führten sie dem begeistert applaudierenden Publikum in den heiligen Hallen der Kunst Mode mit viel Durchblick vor. Durchblick freilich auch im übertragenen Sinne. Denn hier ging es „nicht um Mode zum Tragen, sondern um Kunst am Körper“, wie die Veranstalter erklärten. Denn die Erotik der Mode – üblicherweise mit dem Körperkult von Dessous und mit den „gewagten“Kreationen der Haute Couture assoziiert – war hier sozusagen umgedreht. Nicht der von stofflichen Accessoires betonte Körper stand im Mittelpunkt, sondern die phantasiebeflügelnde Skulptur, für die der Körper mehr als Mittel denn als Zweck fungierte.

Der Effekt eines solchen Spiels: Die „Dessous“, die man hier zu sehen bekam, waren im Vergleich mit ihren klassischen Schwestern aus den Boutiquen so anregend, wie es die Erotik im Vergleich zum Sex ist. Eine Transformation von Sinnlichkeit, die das stilistische Wagnis voll und ganz rechtfertigte, mit einer Modenschau in ein Haus der Kunst zu gehen. Zumal neben futuristisch anmutenden Entkleidungsstücken und diversen, an Issey-Miyake-Kleider erinnernden „Faltungen“unter dem Titel „Der Traum vom Fliegen“auch noch „begehbare Körperplastiken“vorgeführt wurden, die mehr mit skulpturaler Kunst als mit Mode zu tun hatten. Diese wie Fabelwesen anmutenden Gebilde kamen der Ausstellung, deren Abschluß sie bilden sollten, am nächsten. Was man besonders nach der Modenschau feststellen konnte, als die leeren Hüllen zwischen die Exponate drapiert wurden.

Insgesamt ging das Konzept, eine Ausstellung mit einer Modenschau zu verbinden, bestens auf. Denn während die rundherum plazierten Werke aus Papier fast einhellig darum bemüht waren, gerade nicht wie Papier auszusehen, wirkte die aus anderen Materialien gefertigte Mode, als sei sie papieren. Ein programmatischer Kontrast, den zu betonen die ModeschöpferInnen aus Halle ihre Schau nicht umsonst unter das Leitmotiv der Farbe Weiß gestellt hatten.

Und was den schon öfters unternommenen Versuch angeht, Kunst und Design zu verbinden, ging hier nahezu perfekt auf. Kein Wunder, daß die Veranstalterin – vom heftigen Schlußapplaus ermutigt – Wiederholungen ankündigte.

Moritz Wecker