Im Rahmen von Geldknappheit und Verfettungsrisiko

■ Der Angestellte, das unbekannte Wesen – eine neue Zeitschrift namens „BAM“enthüllt es endlich

Hurra! Endlich ist es soweit! Die Bremer Angestellten Kammer kommt „ihrem gesetzlichen Auftrag zur Information ihrer Mitglieder“nach und hat eine eigene Verbandszeitschrift herausgebracht. „BREMER ANGESTELLTEN Magazin“oder kurz BAM heißt das 20 Seiten dünne Heft, auf das die 160.000 Kammermitglieder, die übrige Journaille und alle anderen lange haben warten müssen. Denn BAM gibt die Antwort auf eine der Schlüsselfragen des zu Ende gehenden Jahrhunderts: Die Frage nach dem Wesen und Genesen der Angestellten selbst sowie der Sprache, in der das aus erster Hand zum Ausdruck gebracht wird.

Nicht direkt unfreundlich, aber rastlos stieben sie auf dem Titelbild durch die Lloydpassage in der Bremer Innenstadt. Geschäftigkeit ist den meisten anzusehen. Und doch scheinen ihnen jene Sätze von Seite 19 zu denken zu geben: „Was, verdammt, ist eigentlich los in Deutschland? Eines derstärksten Wirtschaftssysteme der Welt geht am Stock. Alles wackelt, bebt und schlingert, die alten Säulen brechen weg, und neue Stützen sind nicht in Sicht.“Tapfer, wer da nicht nach oben guckt wie nur der Rentner in der Bildmitte; mutig, wer da keine Passage meidet; so wie die Angestellten, mithin eine derstärksten Zielgruppen, und weder wackelnd, bebend noch schlingernd.

Statt dessen lächeln sie. So wie Annegret Hübsch und Petra Külper, die beiden Kaufhausangestellten, denen sich BAM in einem „Nicht repräsentativen Versuch einer Annäherung“zum Thema „Ladenschluß – verdammt und gelobt“mit Blitzlicht und Reportermikrophon nähert. „Also...“und „Na, ja...“sprudeln sie im O-Ton los, und „Annegret Hübsch weiß immerhin: ,Der eine oder andere Ehemann murrt schon mal, wenn er sich sein Abendbrot selbst machen muß.'“Nichts also hat sich geändert, lernen wir und lernen auch, daß der Angestellte häufigenfalls die Angestellte ist: „Neunzig Prozent der geringfügig Beschäftigten im Einzelhandel sind Frauen“, steht da und: „Anläßlich der Vorstellung der Dienstleistungsstudie wies die Präsidentin der Angestelltenkammer, Irmtrud Gläser, in diesem Zusammenhang (!) auf die besondere Betroffenheit von Frauen hin, die neun von zehn Teilzeitbeschäftigten stellen.“

In diesem Zusammenhang können sich die Männer unter den Angestellten glücklich schätzen, wenn sie immerhin ihre Brote selbst schmieren dürfen, denn BAM stellt die Frage nach „Nachwuchssorgen in den Häfen?“und warnt: „Nautisches Personal an Land droht auszusterben“. „Schlimm!“würde da jede andere Zeitung titeln, doch BAM hält sich mit dieser Todesgefahr nicht lange auf. Weitergeblättert ist zu lesen: „Leute brauchen nicht mehr Zeit, sondern mehr Geld zum Kaufen“, sagt Heiner Schilling. Der muß es wissen als Sekretär der Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen (HBV), denn seine Branche kennt die Wechselkurse. Und dennoch ist es „Für Bilanz zu früh“, wenngleich „Leonardo“kürzer treten muß und „sozusagen halbiert wird“, weil „die öffentlichen Gelder knapper geworden“sind. Da könnte in diesem Zusammenhang auf weitere Probleme hingewiesen werden: „Die Abweichung von der Norm wird zur Norm“, heißt es da zum Thema gruppenspezifische Gewichtsprobleme am Arbeitsplatz, denn „Teilzeitkräfte nehmen im Dienstleistungsbereich zu“.

Da schält sich ein Wunder aus dem Blatt der Angestellten, die trotz Todesgefahren, Verfettungsrisiken und Geldknappheit immer ein Lächeln für BAM übrig haben. Nur ihren Funktionären steht die ganze Tragweite der Krise eines derstärksten Wirtschaftssysteme der Welt sozusagen im Gesicht geschrieben: Ungesund sehen sie aus, die Präsidentin Gläser und die Herren Schilling und Hartmut Frensel. Aber vielleicht bringt der Kulturtip Entspannung: Hansgünther Heyme hat das Pferdetheater von Bartabas mal wieder zu den Ruhrfestspielen Recklinghausen eingeladen. Genau dort pflegen sich VertreterInnen von Angestellten wie ArbeiterInnen von den Plagen der Informiertheit zu erholen. Christoph Köster