„Diese Musik ist die Revolution“

■ Der Luxemburger Regisseur Frank Hoffmann inszeniert Wolfgang Amadeus Mozarts „Idomeneo“am Goetheplatz

Am kommenden Donnerstag hebt sich im Bremer Theater am Goetheplatz der Premierenvorhang für die sehr selten inszenierte Oper „Idomeneo“. Obwohl Fachleute Wolfgang Amadeus Mozarts „Dramma per Musica“sehr schätzen, ist das Werk bis heute ein „Schmerzenskind“des Repertoires geblieben. Das liegt zum einen am Wirrwarr der Fassungen, zum anderen an dem noch sehr experimentellen Charakter von Mozarts erster großer Auseinandersetzung mit der sogenannten „Opera seria“aus dem Jahr 1780. Der Regisseur Frank Hoffmann und der Dirigent Rainer Mühlbach haben nach der „Neuen Mozartausgabe“eine Fassung hergestellt, in der sich die Aspekte eines politischen und eines Seelendramas die Waage halten. Wir sprachen mit Frank Hoffmann über die Oper, die der Komponist selbst am meisten liebte.

taz: „Idomeneo“hat einen bis heute umstrittenen Stellenwert: Auf der einen Seite noch Opera seria mit ihren stereotypen Wechseln von Rezitativ und Arie, auf der anderen Seite geradezu wucherndes Experimentierfeld des jungen Komponisten, der genau das in Frage stellt. Wo steht „Idomeneo“für Sie?

Frank Hoffmann: Es gibt nur wenige Werke, die derart reich und vielseitig sind. Die Oper ist voller Reibungen und Kontraste. Da gibt es eine Frau, die gefangene Trojanerin Ilia, die ihren Besieger liebt – sie steht für eine höfische kleine Welt. Im nächsten Moment singen gefangene Trojaner und Kreter ein Friedenslied – natürlich singen sie immer, was die herrschenden Kreter wollen. Gleich im ersten Bild befreit der Königssohn Idamante die Feinde. Diese plötzlichen Sprünge in der Handlung erscheinen unerklärlich, doch Mozart macht das einfach....

Es hat um die Entstehungszeit des „Idomeneo“heftige Auseinandersetzungen mit dem Vater und dessen berühmten Ratschlägen gegeben: Mozart solle auch „populär“schreiben, für „lange ohren“– was er entschieden ablehnte. Welche Rolle spielt denn das für die Komposition?

Ich meine sehr viel. Die Oper ist eine Auseinandersetzung mit der väterlichen Welt. König Idomeneo vertritt sehr alte Werte. In der Musik des Idamante lehnt Mozart sich auf. Idamante ist recht brav, sagt, was der Papa sagt. Aber die Musik sagt etwas anderes. Das ist Schillers Karl Moor, den man da hört. An diesem Aspekt habe ich sehr gearbeitet, er ist unglaublich aktuell.

Warum hat Mozart „Idomeneo“so besonders geliebt?

Es ist meiner Meinung nach Mozarts schönste Musik. Sie hat in ihrem Experimentiercharakter, in dem sie Rezitative, Arien und Chöre ineinander vermischt, Hölderlinsche Momente. Ich scheue mich nicht zu sagen, sie ist die Revolution. Wie er die geliebten Klarinetten einführt, die es bis dahin im Opernorchester nicht gab...

Den Durchbruch, wenn man das im Verhältnis zur Popularität der großen Opern Mozarts überhaupt so nennen kann, erlebte „Idomeneo“vielleicht durch die Arbeit von Jean-Pierre Ponelle und Nicolaus Harnoncourt in Zürich 1980. Liegt das auch an der historischen Aufführungspraxis?

Natürlich. Die Musik ist durch Harnoncourts Erkenntnisse atemberaubend theatralisch und vielschichtig geworden. Ich verstehe nicht, daß es in manchen Kreisen immer noch so ein ablehnendes Gezetere um diesen großen Mann gibt.

Wie sind Sie zur Oper gekommen?

Ich habe Literaturwissenschaft und Philosophie studiert und über Michel Foucault promoviert. Foucault hat mich mit seinen Beobachtungen der Außenseiter, der Nischen, der Aus-der-Norm-Fallenden, sehr geprägt. Er war einer der wichtigsten zeitgenössischen Denker.

Aber dann hat es Sie doch praktisch ans Theater gezogen?

Schon immer. Aber ich wollte das Studium beenden, obschon es mich mit den Büchern häufig in die Kneipe gezogen hat, weil ich dem Leben nahe sein wollte. Das war gut so. Jetzt kann ich alles Intellektuelle hinter mir lassen. Ich muß nicht wie manche Kollegen mit Nietzsche-Büchern in die Proben gehen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Sie haben zunächst in der Sparte Schauspiel inszeniert?

Ja, ich war neun Jahre in Heidelberg. Und für die Oper habe ich noch immer diese kindliche Unbefangenheit, diese Entdeckerlust. Das ist anders als im Schauspiel. Die Zeit, die ich jetzt mit Mozart erlebt habe, das ist wunderbar, wie man so nahe mit einem Komponisten leben kann.

Aber mit einem Dichter tun Sie das doch auch?

Ja, aber die Musik hat eine andere Qualität. Sie ist sehr viel fordernder, sie macht das Sujet konkreter, sie setzt Grenzen, die nicht einengen, sondern die Phantasie erst richtig öffnen. Es ist eine Sprache, die jeder versteht – eine Binsenweisheit, aber wie wahr.

Fragen: Ute Schalz-Laurenze

Donnerstag 19.30 Uhr im Theater am Goetheplatz: „Idomeneo – Dramma per Musica“von Wolfgang Amadeus Mozart. Regie: Frank Hoffmann. Musikalische Leitung: Rainer Mühlbach