Die Überwindung des inneren Gebrauchsgrafikers

■ „think positive“: Der Karikaturist Gerhard Haderer stellt seine bunte, groteske und bedrückend häßliche Welt im KITO vor

Ein Gartenzwerg mit Brustwarzenpiercing und Leder-Strapsen pinkelt in den Gartenteich. Ein Bankräuber verzweifelt am On-line-Banking, weil er nicht weiß, wo er seine Forderungen eintippen muß. Eine an AIDS erkrankte Nonne und ein Pfarrer in einem blutverschmierten Leichenhemdwerben für Benneton-Pullover.

Dies ist die Welt des österreichischen Karikaturisten Gerhard Haderer, und sie hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Welt, in der wir alle leben. Sie ist nur ein bißchen bunter, ein bißchen grotesker und ein bißchen häßlicher. Manche Menschen behaupten, Haderers Welt sei VIEL häßlicher als ihr reales Vorbild, aber diese Menschen belügen sich selbst.

„Ich mag das Extreme. Entweder überkandidelter Fotorealismus oder totale Reduzierung. Keine Kompromisse!“sagt der Künstler mit dem in Ehre ergrauten Pferdeschwanz. In Reduzierung will er sich an einem Comic-Projekt üben, an dem er gerade arbeitet. Die Werke, die er zur Zeit im Vegesacker KITO unter dem sarkastischen Motto „think positive“auf zwei Etagen ausstellt, fallen allesamt in den Bereich dieses „überkandidelten Fotorealismus“. Mit Acrylfarben in jeweils zehn bis 15 Stunden auf die Leinwand gebracht, kreisen die Bilder mit Vorliebe um Themen wie klerikalen Amtsmißbrauch, schöne neue Medienwelt, häßliche Deutsche, häßliche Österreicher und häßliche Schweizer.

In Deutschland kennt man Haderers Bilderkosmos vor allem aus der Illustrierten Stern, in der er seit fünf Jahren regelmäßig veröffentlicht. „Es kommt für viele überraschend, aber es hat mich schon vor meiner Arbeit für den Stern gegeben“, relativiert der Künstler. Zuvor habe er für kleine politische Zeitschriften gearbeitet. Einschränken muß er sich beim Massenblatt derweil nicht: „Ich habe keine Schere im Kopf, bilde ich mir ein.“

Die Inspiration kommt oft von selbst. „Am wenigsten Arbeit habe ich, wenn die Akteure sich selbst dermaßen bloßstellen, daß ich die ganze Dämlichkeit der Situation nur noch zeichnen muß.“

Auf konkrete Prominenten-Portraits verzichtet er dabei nach Möglichkeit. „Nachher schmücken die sich damit noch!“Daß Kirchenvertreter so oft Ziel seines Spottes sind, läge keineswegs daran, daß Haderer ein „glaubensfeindlicher Mensch“sei. Die „faschisto-klerikale Szene, besonders in Österreich“, gehöre allerdings der Lächerlichkeit preisgegeben. Manchmal müsse er bei seinen Anprangerungen schon gegen den Moralisten in sich kämpfen.

Gegen den Gebrauchsgrafiker in sich hat Haderer bereits erfolgreich gekämpft. „In dem Job habe ich meine erste Kohle gemacht, aber ich habe damit bald persönliche ideologische Probleme bekommen.“Keine ideologischen Probleme hatte er in seiner Jugend mit Jazz-Rock und Satiren, aber musikalische und literarische Gehversuche trugen wenige Früchte. „Mit dem als Grafiker antrainierten Stil und meiner alten Liebe zu Comics habe ich dann von einem auf den anderen Tag angefangen, nur noch Cartoons zu zeichnen.“Die Comics, die den 1951 Geborenen begeisterten, waren vor allem Underground-Strips wie die von Robert Crumb. „Disney und Fix & Foxi haben mich nie interessiert.“

Wem es ähnlich geht, der wird seine helle Freude an der Haderer-Ausstellung im KITO haben.

Andreas Neuenkirchen

Gerhard Haderer, „think positive“bis 1. Juni im KITO