Gefahr gärt in der Biomüll-Tonne

■ Gesundheitsgefahren durch 14tägige Leerung des Biomülls / BEB: Bisher keine Erkrankungen

Es gärt neuer Ärger – mitten im Müll. Vor allem im Biomüll. Das jedenfalls meinen ArbeitsschützerInnen. Ein arbeitsmedizinisches Gutachten des Allergie-Papstes Xaver Baur vom Berufsgenossenschaftlichen Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin an der Bochumer Ruhr-Universität beunruhigt sie. Es beschreibt die Gesundheitsgefährdung von Müllwerkern durch Schimmelpilzsporen.

Am Einzelfall eines Müllwerkers schildert die Bochumer Studie die berufsbedingte Erkrankung eines 29jährigen, ehemals kerngesunden Mannes. Bereits ein Jahr nachdem er seine Arbeit bei der Müll- und Biomüllabfuhr aufgenommen hatte, setzten bei ihm Krankheitssymptome ein. Was mit Atemnot begann, steigerte sich im Lauf von vier Jahren zu einer handfesten Infektion der Lunge. Zum Krankheitsbild gehörten Allergien, das Husten von Schleim und Fieberanfälle. Heute, rund fünf Jahre nach dem Ausbruch einer handfesten Schimmelpilz-Erkrankung in der Lunge, einer sogenannten Alveolitis oder Farmerlunge, ist der Mann berufsunfähig geschrieben.

„Dieser Bericht ist besorgniserregend und sehr ernst zu nehmen“, warnt Angelika Pensky von der Bremer Außenstelle der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Man müsse die Arbeitsbedingungen betroffener Müllwerker, aber auch die der Beschäftigten in den Sortieranlagen für die Gelben Säcke erneut kritisch unter die Lupe nehmen. Besonderer Dorn im Auge ist ihr dabei die nur 14tägige Leerung der Biotonne – denn insbesondere dies erleichtere das ungehemmte Wuchern von ganzen Schimmelpilzkolonien, die bei jeder Leerung Unmengen von gesundheitsschädlichen Schimmelpilzsporen freisetzen. Werde die Häufigkeit der Leerung möglicherweise zwar als umweltpolitisches Erfolgsrezept gehandelt, so müsse sie aus der Perspektive des Arbeitsschutzes dennoch überdacht werden, sagt die Arbeitnehmer-Schützerin. Arbeitsbedingungen von Müllsortierern seien bisweilen wenig ausgereift – bis, „drastisch gesagt, fast mittelalterlich“. Dies aber darf nicht sein; schon gar nicht nach dem im letzten Herbst verabschiedeten neuen Arbeitsschutzgesetz. Seitdem könnten die Bremer Entsorgungsbetriebe (BEB) zum Schutz ihrer Beschäftigten dazu verdonnert werden, die Biotonnen häufiger zu leeren – und dies sei nur eine von mehreren denkbaren Schutzmaßnahmen.

In ihrer kritischen Haltung gegenüber der Abfuhrpraxis der BEB sieht sich Angelika Pensky auch vom Bundesverwaltungsgericht bestärkt. Das befand erst im Januar dieses Jahres, daß die Fürsorge von Arbeitgebern für ihre Beschäftigten sich nicht allein darauf beschränken darf, daß ArbeitnehmerInnen am Arbeitsplatz körperlich keinen Schaden nehmen. Vielmehr müsse der betriebliche Gesundheits schutz auch das psychische Wohlbefinden von Beschäftigten angemessen berücksichtigen. Dieser Haltung stimmt auch der Leiter der Bremer Gewerbeaufsicht, Alexander Horn, zu. Ebenso wie der Landesgewerbearzt Frank Hittmann hat er die Bochumer Einzelfallstudie aufmerksam registriert.

Zwar sehen beide keinen unmittelbaren Bedarf zu handeln – denn die Bremer Kompostierungsanlage beispielsweise sei im Vergleich zu anderen Anlagen modern ausgerüstet. Auch ergaben Luftmessungen in der Vergangenheit keine beunruhigend hohe Zahl von Keimen. Dennoch werde aufgrund des neuen Arbeitsschutzgesetzes demnächst eine neue Bewertung der Arbeitsplätze bei den BEB angefordert, kündigt man bei der Gewerbeaufsicht an. Doch sind hier wie auch beim Landesgewerbearzt bislang keine Hinweise auf ernsthafte Erkrankungen bekannt. Gleiches gilt für die Entsorgungsbetriebe. „Von den 29 Leuten, die den Biomüll abfahren, sind alle kerngesund“, sagt BEB-Sprecher Friedhelm Behrens. Kein Mitarbeiter habe in diesem Zusammenhang einen Antrag auf Berufsunfähigkeit gestellt. Die Gewerkschaft ÖTV will nun bundesweit die Arbeitsbedingungen von Müllwerkern untersuchen lassen. ede