„Der Aufstieg hat eine politische Funktion“

■ Der Medienmanager Rolf Schmidt-Holtz, Aufsichtsratsvorsitzender bei Hertha BSC, über das Unternehmen Aufstieg und die mögliche Ausstrahlung des Hauptstadtvereins

taz: Herr Schmidt-Holtz, Sie haben selbst mal gekickt?

Schmidt-Holtz: Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen, in Oberfranken. Wir hatten zwei Beschäftigungen: morgens Schule, danach Fußball.

Und später?

Ich spielte in der Uni-Mannschaft. Immer Linksaußen.

Bei Bertelsmann spielen Sie als Präsident des Bereichs „TV/Film Europa“ und als Beirat der Ufa Film und Fernseh GmbH ziemlich weit oben mit. Warum dieser Job bei Hertha in der 2. Liga?

Die Ufa hatte mit Hertha einen Marketing-Vertrag. Der Verein war praktisch pleite. Drittklassigkeit drohte. Die Leute haben mich so lange damit genervt, wie toll es sei, Hertha in der Bundesliga zu sehen, daß sie mich schließlich überzeugten.

Was unterscheidet Ihre Arbeit bei der Ufa von der bei Hertha?

Im Geschäftsleben lassen Sie sich von Kategorien wie Perspektive, Kontinuität, Entwicklung leiten. Im Fußballgeschäft läuft das ganz anders. Jeden Samstag wird von der Öffentlichkeit ein Urteil gefällt über Erfolg oder Mißerfolg von Menschen, die den Fußball zu ihrem Beruf gemacht haben. Das sind junge Leute, oft noch nicht gefestigt, oft nicht in der Lage, mit Geld und Ruhm umzugehen. Mit diesem Problem muß man fertig werden. Nicht jeder, der erfolgreich eine Firma managt, ist für die Leitung eines Fußballvereins geeignet. Und wie Sie wissen, manage ich den Verein nicht, ich arbeite im Aufsichtsrat.

Wenn Sie Filme oder Musik produzieren, arbeiten Sie auch auf den unmittelbaren Erfolg hin. Und da haben Sie oft mit ungefestigten Leuten zu tun.

Für mich stimmt das. Ich war Chefredakteur im Fernsehen, auch beim Stern, da wurde jeden Abend beziehungsweise jede Woche über den Erfolg entschieden – in aller Öffentlichkeit. Das Entertainment ist mir in Fleisch und Blut übergegangen.

Gehen Sie zu den Spielen von Hertha?

Immer, wenn ich in Berlin bin. In Hamburg werde ich von meinen Mitarbeitern durch Telefonate und Faxe viertelstündig auf dem laufenden gehalten. Das ist schon fast rührend.

Werden Sie im Verein als reicher Onkel angesehen und entsprechend behandelt?

Natürlich werde ich nicht als Hertha-Frosch angesehen, der bei den Spielen mit den Fans in der Kurve sitzt. Anfangs gab es Bedenken. Da kommt eine Firma und ein Manager, kommt Geld. Wieviel Einfluß werden diese Leute nehmen? Das ist jetzt vorbei. Man sieht, wie wir arbeiten. Alles ist transparent.

Warum haben Sie eigentlich nicht bei einem der jetzt „herrenlosen“ Klubs angeheuert, z.B. beim BFC, dem früheren Verein Mielkes. Das wäre doch ein kleiner Beitrag zur Einheit gewesen. Oder bei Union. Die verfügen doch über eine große Fangemeinde?

Wie lange hätte es gedauert, bis Union in der ersten Liga ist? Wir brauchen jetzt einen Verein in der Bundesliga. Außerdem bin ich dagegen, dem Sport übermäßig politische Aufgaben aufzubürden. Natürlich hat es eine politische Funktion, wenn wir Hertha in die Bundesliga bringen. Hertha hat auch eine große Ausstrahlung auf das Umland und auf die neuen Bundesländer. Warten Sie ab. Falls Hansa Rostock wirklich absteigen sollte, werden auch Fans von der Ostsee kommen.

Sie kennen die „Plumpe“, wo Hertha früher gespielt hat. Da kamen die Leute aus dem Wedding, das war Herthas Arbeiter-Hinterland. Wollen Sie jetzt einen „Hauptstadt“-Verein, der eigentlich nicht mehr zu verorten ist? Wie Bayern München?

Wollen Sie einen Stadtteilverein? Hertha wird entweder ein Verein mit starker Bindung an ein bestimmtes Milieu oder ein Verein mit regionaler, vielleicht sogar bundesweiter Ausstrahlung. 1860 oder Bayern München. Wobei Bayern keineswegs ein bindungsloser Verein ist.

Wie sehen Sie Herthas Anhang?

Das Schöne am Fußball ist, daß Arbeiter und Chefarzt zuschauen.

Geschenkt. Das Berliner Publikum ist geschmäcklerisch. „Hertha“, hört man, „das sind die Doofen“. Das ändert sich mit dem Erfolg. Sind Sie zum raschen Erfolg verurteilt?

Logisch, jeder Zuschauer sieht lieber gute als schlechte Spiele. Wird immer mies gespielt, hab' ich irgendwann die Schnauze davon voll, dafür auch noch Geld zu zahlen. Wenn der Verein erfolgreich spielt, wird sich die Bindungswirkung wiederherstellen, die Hertha einmal hatte. Die Leute müssen Lust haben, sich mit Hertha zu identifizieren, zu sagen: „Das ist mein Verein.“ Dann wird es auch nichts schaden, wenn Hertha mal eine Durststrecke hat.

Erfolg gleich Identifikation?

Ich finde es auch erfreulich, daß mein Sohn mit Hertha-Trikot ins Bett geht und jedem Spiel schon Tage zuvor entgegenfiebert. Merchandising ist die Folge von Bindung und verstärkt sie. Auch damit geht es jetzt besser.

Ist es für die Identifikation wichtig, daß ein paar „Leistungsträger“ aus Berlin stammen?

Das Publikum nimmt jeden guten Sportler an. Mein Traum wäre es natürlich, jemanden wie Icke Häßler zu engagieren.

Warum tun Sie es nicht?

Er kostet zu viel. Interview: Christian Semler