Hoppla, hier komme ich!

Tic Tac Toe wackeln für sie nur „untight mit den Titten“: Rapperin Sabrina Setlur sieht sich als Flaggschiff einer neuen „S-Klasse“ im HipHop  ■ Von Gerrit Bartels

Schon gemerkt? The Artist formerly known as Schwester S gibt es nicht mehr, sie hat sich aufgelöst. „Diese Künstlerin repräsentierte lediglich früher das Projekt Schwester S und tut dies heute nicht mehr“ – so verkünden es seit Wochen große Anzeigen, geschaltet von 3p, der Produktionsfirma des berühmt-berüchtigten Rödelheim Hartreim Projekts (RHP). Zusammen mit dem HipHop-Duo aus dem Frankfurter Vorort hatte Schwester S vor zwei Jahren mit „Ja Klar“ einen veritablen Hit, in dem sie sich von den beiden Männern offensiv anrappen lassen mußte: „Schwester, Schwester, für mich bist du wie Sahnetorte, ich möchte dich mal probieren.“ Damit blieb sie im Popbewußtsein als Findelkind der Rödelheimer und idealer Abladeplatz für deren chauvinistische Unfreundlichkeiten hängen. In diesem Jahr soll und will Schwester S also wieder diejenige sein, die sie bürgerlich schon immer war, nämlich Sabrina Setlur. Flieg, Vögelchen, flieg, heißt die Devise – dem harten, rauhen Leben dort draußen die Stirn bieten und dann frei von Zweifeln noch rufen: „Hoppla, hier komme ich.“ Mit einem Album, betitelt „Die neue S-Klasse“, dessen Neuerungen statt ABS und Allradantrieb vor allem künstlerische Autonomie, Emanzipation und „viel Raum für Ihre Persönlichkeit“ (alte Nissan-Werbung) sind.

„Ich habe eben kein Album mit den Rödelheimern gemacht“, sagt sie im Interview, „das ist gaaanz, gaaanz wichtig. Ich habe keinen Bock mehr auf dieses niedliche, süße, kleine Schwesterding.“ Kein Augenzwinkern, kein Lachen, Setlur ist da gänzlich unironisch und schaut einen wie von den Werbeanzeigen und Fotos an: schmollmundig, etwas leer; und sie schweigt auf Einwände, daß man sich Sinn und Zweck dieser hessischen Vertafkapung auch anders zusammenreimen kann: als typisch Rödelheimerischen Größenwahn („Hey Prince, was du kannst, können wir schon lange“), als große Medienverarsche (denn „die Medien“ kann man in Rödelheim nun überhaupt nicht leiden), oder, was der Angelegenheit vielleicht am nächsten kommt: als nicht unschlauer Marketing-Trick.

Setlur hat in erster Linie die Reime für die Songs auf dem neuen Album geschrieben. Vorher hatte sie die „Jungs“ gefragt, „ob sie ihr nicht ein Band mit Loops runterziehen könnten“, auf daß sie über diese Loops dann dichten und reimen konnte. Daß die Reime verdächtig nach den Jungs klingen, hält Setlur für nicht ungewöhnlich, schließlich habe sie auch das Schreiben von ihnen gelernt: „Wir sind nun mal oft zusammen, wir reden und denken auch gleich. Aber meine Güte, ich habe früher Texte geschrieben, da dreht sich heute noch mein Magen um.“

Gleich zu Anfang, im ersten Song „Zurück von den Toten“ zieht sie verstärkt die Grenzen zu Tic Tac Toe, deren Kinderrapperinnen-Image in der vergangenen Woche demoliert wurde – wahrscheinlich allerdings nicht in der Manier, die Setlur im Auge hat, wenn sie rappt: „Wie auf'm Klo is' die Scheiße von Toe, Tic und Tac, ungefähr zwei Kalorien ohne Erfrischung und Geschmack, ich pack' euch in den Sack und schmeiß' den ganzen Sack ins Wasser, die Dicke quillt dann weiter auf, und die bunten zwei werden blasser..., ihr wackelt untight mit den Titten und dreht die Scheiße kleinen Kindern an, Rapper, Nepper, Schlepper, Bauernfänger“ etc. etc.

Setlur holt hier zwar tief und gemein aus der Tasche, doch dieser Ausfall bleibt der einzige auf einer sonst recht braven Platte. Und überhaupt: Wer sorgt sich schon darum? Setlur fährt auf ihrer eigenen Hauptstraße und ist, da ist sie ganz unten auch mit Tic Tac Toe, immer unterwegs in Sachen Ruhm und Millionen. Keinen Gedanken verschwendet Setlur daran, als Riot-Girl in HipHop-Kontexten Vorbild für eine erste Generation von Rapperinnen zu sein, vielleicht eine zweite Cora E.

Auch die Jungs möchten da keine falschen Ahnungen aufkommen lassen: Im üppigen, das Album begleitenden Pressetext schreiben sie, daß hier trotz aller emanzipatorischer Bestrebungen nix wäre mit „Girlieschwachmatentum und Selbstfindungskreis“ Was Setlur so erklärt: „Ich will mit keiner Message herauskommen, das ist nicht meine Aufgabe. Die Platte handelt von Situationen, Erfahrungen und Erinnerungen aus meinen Leben. Sie handelt von mir, ich habe sie für mich gemacht, und da bin ich stolz drauf. Falls sich damit jemand identifizieren kann, freut mich das, falls nicht, dann kann ich auch nichts machen.“

Selbstverständlich mischen Moses Pelham und Thomas Hofmann, die beiden Männer vom RHP, trotzdem ordentlich mit auf der zweiten Schwesterpartie: Pelham hat (zusammen mit Martin Haas) „Die neue S-Klasse“ produziert. Wie gewohnt klingen die Tracks fett und funky, wie gewohnt sind sie aufgeblasen mit hübschen Streichern und dunklen Keyboards, und trotz einiger in diesem Fall eklig bratzender Gitarren enthalten sie auch in diesem Jahr das beste und sämigste an Sounds in HipHop-Deutschland weit und breit.

Während des Interviews sitzt der 23jährigen Setlur ein schweigender Aufpasser gelangweilt zur Seite – „damit ich keine Faxen mache oder ausbüchse“. Soviel hat sich nicht geändert seit den Zeiten von Schwester S. Die Empanzipation bleibt unter den Fittichen der großen Brüder: „Dafür bürgen wir mit unserem guten alten Namen.“

Sabrina Setlur: „Die neue S-Klasse“ (3p/Epic/Sony)