■ Nebensachen aus Bangkok
: Einfachen Polizisten bleibt nur die Wegelagerei

Wenn die Sonne auf die verstopften Straße brennt und die Busse, Autos und Motorräder stinkend und röhrend voranschleichen, dann bewundere ich unseren Verkehrspolizisten. Man kann nicht viel von seinem geröteten Gesicht sehen, das unter dem schwerem Polizeihelm und hinter einer baumwollenen Atemschutzmaske verschwindet. Aber sein ganzer Körper verrät Diensteifer: Er wippt in den Knien, streckt sich auf die Zehenspitzen, wirft die Arme nach vorn und zieht seine weißbehandschuhten Hände kräftig am Körper vorbei, als wolle er jedes einzelne Auto über die Kreuzung heben. Er ist noch jung, die braune Uniform spannt sich erst leicht über einem beginnenden Bäuchlein. Eines aber ist sicher: Sein Elan ist vergänglich, bald wird er resigniert in den Stau schauen. Der Polizistenalltag wird ihn erdrücken.

Als einfacher Beamter verdient er maximal 270 Mark im Monat. Davon kann keiner leben, selbst wenn seine Familie in einer Wellblechbude im Slum wohnt, und das tun in Bangkok nicht wenige. Zudem muß er erst einmal tief in die eigene Tasche greifen und die eigene Ausrüstung bezahlen: Pistole, Handschellen und Walkie-talkie, vielleicht sogar das Motorrad.

In unserer Straße ist so ein Polizeiausrüstungsladen. Dort gibt es Helme, Stiefel, Leuchtjacken, Pistolenhalfter, weiße Handschuhe und Atemschutzmasken, Schulterklappen mit Rangabzeichen (18 Mark) und Ordensstreifen (4,30 Mark). (Übrigens habe ich da auch die weiße Windjacke gefunden, die meine Visum-Sachbearbeiterin in der Einwanderungsbehörde gern über ihre braune Uniform zieht. „Shoot to Kill“ steht über einem Totenkopf auf dem Ärmel, aber das ist eine andere Geschichte.)

Ohne einen zweiten Job kommen die meisten Polizisten nicht aus. Sie arbeiten als Nachtwächter oder Taxifahrer, manche übernehmen auch die Schicht von Kollegen, die lukrativere Nebeneinkünfte haben. Haupteinnahmequelle aber ist für viele der Straßenverkehr selbst. Da tauchen vor allem an Überlandstraßen plötzlich Kontrollstellen auf. Und weil die Lastwagen oft viel schwerer beladen sind, als das Gesetz es erlaubt, zahlen die Fahrer eben.

Das ist schon lange so, aber kürzlich beschloß Innenminister Snoh, dem Treiben ein Ende zu setzen. Der Politiker wollte das Ansehen der Polizei verbessern und hatte eine an sich praktische Idee: Wenn man das zulässige Ladegewicht für Lastwagen erhöht, von 21 auf 28 Tonnen, sei das Problem erledigt, meinte er. Die Fahrer verstoßen nicht mehr gegen die Vorschriften, und die Beamten können ihnen keine Schmiergelder mehr abnehmen.

Zu seinem Erstauen gab es keine einhellige Zustimmung. Auf der einen Seite wollten Transportunternehmer lieber gleich auf 35 Tonnen hochgehen. Das sei realistischer, sagten sie. Auf der anderen Seite sorgten sich Kritiker um kaputte Straßen und behaupteten sogar, die Polizei würde sich gar nicht um die Vorschriften scheren, sondern einfach weiter abkassieren.

Nach einigem Hin und Her fand ein Polizeisprecher eine bestechend schöne Lösung: Man werde illegale Polizeikontrollen einfach verbieten. Wenn Autofahrer künftig dennoch auf Straßensperren stoßen, riet er, dann gebe es nur eines: einfach durchbrettern. Wie man beim Heranfahren rechtmäßige von illegalen Checkpoints unterscheidet, blieb etwas unklar.

Hoffentlich findet mein junger, eifriger Verkehrshüter einen günstigen Nebenjob in Bangkok. Er soll sich bloß nicht an die Fernstrecken versetzen lassen, das wird zu gefährlich. Jutta Lietsch