Entscheidung über Gut und Böse

Die EU-Finanzminister haben sich auf einen Stabilitätspakt für die Zeit nach Beginn der Währungsunion geeinigt. Sparunfähige Länder müssen Strafen an die sparsamen Staaten zahlen  ■ Von Ulrike Fokken

Berlin (taz) – Mit einem Freizeitprogramm ist gestern das Treffen der EU-Finanzminister in Noordwijk ausgeklungen. Vorher erklärte Bundesfinanzminister Theo Waigel, daß drei Prozent Defizit nicht unbedingt 3,0 Prozent Defizit sind. Er bestehe lediglich auf der „klaren und strikten Einhaltung“ der im Vertrag von Maastricht festgelegten Kriterien. Und dort stehen nun mal „3 Prozent“ geschrieben. Um diesen Wert darf laut Grundlagenvertrag für die europäische Währungsunion ein Mitgliedsland der Europäischen Union sich neu verschulden, um immer noch bei der angestrebten Währungsunion zum 1. Januar 1999 dabeizusein.

Am Samstag schon hatten sich die fünfzehn Finanzminister der Europäischen Union auf den „Pakt für Stabilität und Wachstum“ geeinigt. Der soll einen stabilen Euro auch nach dem Start sichern. So sollen Länder mit anhaltend hohem Haushaltsdefizit Jahr für Jahr Strafen zahlen. Zunächst muß ein Land mit zu hoher Verschuldung eine Sockeleinlage von 0,2 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) leisten. Steigt die Neuverschuldung des Staates weiter, muß das Land für jeden Prozentpunkt, um den das Defizit die erlaubte Schwelle von drei Prozent übersteigt, weitere 0,1 Prozent des BIP zahlen. Die Obergrenze für diese Strafen haben die Finanzminister der EU pro Jahr bei 0,5 Prozent des BIP festgelegt.

Die Rechnerei der EU-Finanzminister läßt sich am Beispiel Deutschlands verdeutlichen. Im vergangenen Jahr betrug die deutsche Neuverschuldung 3,8 Prozent des BIP. Damit hätte Theo Waigel schon mal 0,2 Prozent des BIP an die EU zahlen müssen. Hinzu wären 0,08 Prozent als variabler Teil der Strafe gekommen. Alles in allem hätte der deutsche Finanzminister damit knapp zehn Milliarden Mark aus seinem löchrigen Haushalt abzweigen müssen.

Doch was passiert mit dem Geld? Zunächst wird es bei der noch zu schaffenden Europäischen Zentralbank zinslos hinterlegt. Bessert sich ein Land nicht innerhalb von zwei Jahren, fällt die Summe an die anderen Staaten der Währungsunion. „Die Guten“ bekommen es, so Theo Waigel.

Damit sind die EU-Finanzminister einen Schritt weitergegangen als bei ihrem Treffen vom Dezember in Dublin. Dort konnten sie sich lediglich einigen, daß es überhaupt Strafzahlungen an die Europäische Union geben soll. Nicht jedoch hatten sie festlegen können, was mit dem Geld in welcher Höhe passieren soll.

„Es wäre doch eine grobe Ungerechtigkeit, wenn die Verwendung denen zugute kommen würde, die am weitesten von der Zielsetzung entfernt sind“, sagte Theo Waigel nach dem Beschluß am Wochenende. Gegen einen derart zustandegekommenen Länderfinanzausgleich innerhalb der Europäischen Union habe er sich mit allen Kräften gewehrt. Wie das Strafgeld der säumigen Sparer aufgeteilt werden soll, blieb auch nach dem Pakt offen. Unklar bleibt ebenfalls, wie die Umtauschkurse der einzelnen Währungen zum Euro berechnet werden sollen. Der irische Finanzminister Ruairi Quinn sagte, über diese Frage sei in Noordwijk überhaupt nicht gesprochen worden.

Dafür haben die Finanzminister durchblicken lassen, daß an einem Wochenende Anfang Mai 1998 die Mitgliedsländer der Währungsunion bekanntgegeben werden sollen. Vorher müssen Anfang März 1998 die Staaten ihre Haushaltszahlen bei der EU-Kommission vorlegen. Zusammen mit dem Europäischen Währungsinstitut arbeitet die Kommission dann Berichte über die Länder aus: Wurden die Maastricht-Kriterien über die Neuverschuldung, die Gesamtverschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukt und eine Inflationsrate von 1,5 Prozent eingehalten? Die Abgeordneten im EU-Parlament und den nationalen Volksvertretungen dürfen dann noch einmal zwei Monate über die Berichte diskutieren und abstimmen. Haben die EU-Finanzminister dann ihre Empfehlung bei der Kommission abgegeben, folgt der Sondergipfel mit der Kürung der Mitglieder Anfang Mai 1998.