Rostige Pistole aus dem Papierkorb

■ Gestern begann der Prozeß gegen den Ex-Fremdenlegionär, der im vergangenen Jahr einen 34jährigen Polizisten erschossen hat

Dreißig Jahre lebte der ehemalige Fremdenlegionär unter falschem Namen in Hamburg. Ein mürrischer Mann, so beschreiben ihn seine Zimmernachbarn aus der Pension in St.Georg. Gestern stand er im Rampenlicht: In schlotternder blauer Anstaltskleidung bahnte sich der 66jährige Sozialhilfeempfänger zwischen Kamerateams hindurch seinen Weg in den Schwurgerichtssaal des Landgerichts Hamburg. Dort hatte er sich wegen Mordes an einem 34jährigen Polizisten zu verantworten. Er soll dem Beamten am Vormittag des 16. August 1996 aus nächster Nähe in den Kopf geschossen haben.

Es war eine Routinekontrolle in Hamburg-Lohbrügge gewesen. Der Polizeibeamte hatte den weißen Golf wegen eines defekten Bremslichts gestoppt. Als er den Angeklagten bat, auszusteigen, fiel der tödliche Schuß. Der Fahrer hatte nur einen gefälschten Führerschein. Nach der Festnahme des Ex-Legionärs, bei der er mittels eines Knieschusses außer Gefecht gesetzt worden war, schwieg der 66jährige beharrlich. Gestern ließ er von seinem Verteidiger Thomas Bliwier erklären, es tue ihm unendlich leid. „Das ganze war ein entsetzlicher Unfall“, erklärte er.

Die Waffe habe neben ihm auf dem Beifahrersitz in einer Plastiktüte gelegen. Der Schuß habe sich gelöst, als er dem Beamten die Waffe übergeben wollte. Er habe vor Aufregung einen Krampfanfall erlitten und sei quasi aus Versehen an den Abzug gekommen. „Ich töte doch keinen Polizisten, nur weil ich ohne Führerschein gefahren bin“, so der lungen- und krebskranke Mann. Die Pistole will er völlig verrostet in einem Papierkorb gefunden haben, den er nach Zeitungen durchwühlt hatte.

Die tatsächliche Identität des Mannes hatte sich erst drei Monate nach seiner Festnahme herausgestellt. Einen vollständigen Lebenslauf gibt das Gedächtnis des gebürtigen Sudetendeutschen nicht mehr her.

„Meine Lebensumstände waren selten günstig, aber ich habe mich immer irgendwie durchgeschlagen.“Irgendwann Ende der sechziger Jahre hat er seine Papiere verloren und sich fortan mit einem gefälschten Führerschein ausgewiesen.

Bei der Krankenkasse oder seinen zahlreichen Arbeitgebern ist das angeblich nie jemandem aufgefallen. Der Angeklagte erinnerte sich gestern nur mühsam und in Halbsätzen an Gelegenheitsjobs als Kaffeebohnensortierer, Marktbeschicker, Vorführer in einem Pornokino oder zuletzt als Nachtportier. Er ist nicht vorbestraft. Das Urteil soll in der kommenden Woche gesprochen werden. Lisa Schönemann