Das Zauberwort heißt Nato

In Rumänien herrscht geradezu Beitrittsbegeisterung  ■ Aus Bukarest Keno Verseck

Je unklarer die Gründe, desto größer die Begeisterung. Das scheint, auf den ersten Blick, die Formel zu sein, die hinter der Pro- Nato-Stimmung in Rumänien steckt. Nirgendwo anders in Osteuropa ist der Wunsch nach einem Beitritt so groß wie in Rumänien – so will es die Meinungsumfrage „Eurobarometer“, die im Auftrag der EU seit mehreren Jahren regelmäßig in 20 osteuropäischen Ländern erstellt wird. Bei der letzten Umfrage Ende März waren 76 Prozent der Rumänen dafür und nur drei Prozent dagegen.

Wenn die Rumänen jedoch den Wunsch nach einem Nato-Beitritt begründen müßten, könnten die meisten nur vage antworten. Nicht nur „einfache Menschen auf der Straße“, sondern auch Politiker und Intellektuelle. Rumänien war und ist ein Teil Europas und muß deshalb auch Teil eines europäischen Militär- und Sicherheitssystems sein, lautet eine der Standardantworten. Konkreter klingt da schon die Furcht vor der Großmacht Rußland, vermischt mit den in Rumänien so sehr verbreiteten antirussischen Ressentiments.

Schon kurz nachdem der Warschauer Pakt sich im Juli 1991 auflöste, geriet der Wunsch nach einem Nato-Beitritt zu einem zwanghaft wirkenden Bekenntnis. Eine nennenswerte Diskussion über das Für und Wider eines Nato-Beitritts fand nicht statt, nicht unter Politikern und erst recht nicht in der Gesellschaft. Auch nicht, als Rumänien im Januar 1994 als erstes Land das Abkommen „Partnerschaft für den Frieden“ unterzeichnete.

In der Öffentlichkeit ist „Nato“ ein Zauberwort. Statt Debatte gibt es eine Beitrittsastrologie. Jedes noch so kleine positive oder negative Zeichen löst Gefühlsstürme in den Medien aus. Sichert ein Nato- Mitgliedsland Rumänien seine Unterstützung für den geplanten Nato-Beitritt zu, jubelt die Presse. Scheinen die Chancen dann wieder schlechter, scheut sie sich nicht, von „Katastrophe“ oder gar „Apokalypse“ zu sprechen.

Was von außen gesehen so unverständlich scheint, ist in Rumänien eine Selbstverständlichkeit. Wie alle kleinen osteuropäischen Nationen leben auch die Rumänen in dem Gefühl, meistens Spielball der Großmächte gewesen und vom Westen im Stich gelassen worden zu sein, angefangen von der Türkenherrschaft im Mittelalter bis in die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, als Stalin freie Hand erhielt, um Rumäniens (und Osteuropas) weiteres Schicksal zu bestimmen. Rumänien verlangt nun, daß der Westen endlich seine Sicherheit und Freiheit garantiert.

Hauptbedingung ist die Demokratisierung

Aber ein Nato-Beitritt ist mehr als das. Seine Voraussetzungen sind umfangreiche Reformen, von denen Personalabbau und Umstrukturierung der Armee nur den geringeren Teil bilden. Zu den Hauptbedingungen für die Beitrittskandidaten hat die Nato geregelte Beziehungen mit den Nachbarländern und eine innenpolitische Demokratisierung gemacht, beispielsweise die Verbesserung der Minderheitenrechte und die Reform der Geheimdienste. Gerade in bezug auf Rumänien ist der Reformdruck kaum zu unterschätzen, war das Land doch bis vor kurzem bekannt für seine schlechten Beziehungen zu den Nachbarländern Ungarn und Ukraine und seine halbautoritären, antidemokratisch eingestellten Machthaber.

Die neue Regierung aus den Reihen der ehemaligen Oppositionsparteien hat die Bedeutung von Reformen mit Blick auf den Beitritt begriffen. Die Entspannung des innenpolitischen Klimas durch die Teilnahme des Verbandes der ungarischen Minderheit an der Koalition, die Verbesserung des Verhältnisses zu Ungarn, ein Verzicht auf Territorialansprüche gegenüber der Ukraine und der bevorstehende Abschluß eines Grundlagenvertrages mit der Ukraine machen Rumänien derzeit zu einem Stabilitätsfaktor in der Region. Dafür erwartet das Land eine Aufnahme in die Nato. Eine positive Entscheidung bedeutet für Rumänien insofern auch eine Anerkennung als demokratie- und europafähiges Land.