■ Querspalte
: Damals bei Adorno

Einige Professoren wollen neuerdings ihre Studenten durch Prüfungen selbst aussuchen. Es ist höchste Zeit. In germanistischen Hauptseminaren ist man schon zu Fragen heruntergekommen wie: Wann wurde Goethe geboren? Mmh? Was versteht Schiller unter ästhetischer Erziehung? Mmh? Mmh?

Ja, da sitzen die studentischen Lemuren und ringen um Ausdruck. Für die Professoren sind solche Veranstaltungen die Hölle, erschöpft sinken sie in den Sessel ihres Dienstzimmers und werden melancholisch: Ich damals bei Adorno. Das waren Zeiten.

Ja, wer Student werden will, muß geprüft werden. Früher war die Reputation einer Universität von ihrem Lehrpersonal abhängig, von der Qualität der Forschung und der Lehre. Heute sind die Unis froh, wenn sie wenigstens gute Studenten haben. Das wollen sie jetzt einführen, und das ist begrüßenswert.

Gewiß, schon heute wissen sich die Professoren vor dem gemeinen, ungebildeten Studenten zu wehren: hilfreich sind z.B. notorisch abgelegene Themen. Oder man bietet statt eines Hauptseminars, bei dem einem fünfzig Analphabeten die Bude einrennen, ein „Kolloquium für Examenskandidaten“ an. In gediegenem Latein: Tres faciunt collegium. Das Seminar findet ab einer Anzahl von drei Personen statt.

Da sich in der Regel nicht mehr als zwei Waghalsige einfinden, muß das Kolloquium leider ausfallen. Probieren wir es halt im nächsten Semester mit derselben Veranstaltung. Das kann Jahre so gehen. Schließlich wäre da noch das letzte akademische Privileg: die spontan und kommentarlos abgesagte Sprechstunde. Was macht der entspannt-motivierte Dozent mit der ganzen freien Zeit? Er prüft Studienbewerber. Wollen doch mal sehen, ob ein frischgebackener Abiturient noch seinen eigenen Namen schreiben kann. Man wartet auf den ersten, der drei Kreuze macht. Das Problem der deutschen Universitäten sind die Studenten. Man muß ein Auge auf sie haben. Reinhard Wilhelm