70.000 „falsche“Unterschriften

■ Ehepaar initiert ein Volksbegehren gegen die Rechtschreibreform

Hannover. Für den Kampf gegen die Rechtschreibreform ist die Konstitution eines Möbelpackers keine schlechte Voraussetzung. Schwere Körbe voller Briefe schleppen Gabriele Ruta oder ihr Mann Carsten Ahrens täglich vom Postamt in Elsfleth bei Oldenburg in ihren umgebauten Bauernhof in Bardenfleth. Das Ehepaar gehört zu den Initiatoren eines Volksbegehrens in Niedersachsen gegen die Rechtschreibreform. Ebenso wie Gleichgesinnte in Bayern oder Schleswig-Holstein sammeln sie unermüdlich Unterschriften – mehr als 100.000 haben sie nach eigenen Angaben landesweit schon zusammen.

Nach ihren Vorstellungen soll Niedersachsens Schulgesetz um einen Passus ergänzt werden: „In den Schulen wird die allgemein übliche Rechtschreibung unterrichtet. Als allgemein üblich gilt die Rechtschreibung, welche in der Bevölkerung seit langem anerkannt ist und in der Mehrzahl der lieferbaren Bücher verwendet wird.“

Sie und ihr Mann hätten sich schon längere Zeit über die Rechtschreibreform geärgert, erzählt die Verwaltungsangestellte Ruta. Vier Gründe sprechen aus ihrer Sicht gegen die Reform: Sie sei unpädagogisch, da Kinder etwas lernen sollten, was bislang weder Erwachsene brauchen noch in Büchern angewendet werde. Die Reform sei teuer, da Bücher, offizielle Schriftstücke und Computerprogramme überarbeitet werden müßten. Sie sei überflüssig, da sie die Rechtschreibung nicht erleichtere. Und schließlich sei sie undemokratisch, weil von oben verordnet.

Niedersachsens Kultusminister Rolf Wernstedt (SPD) gibt sich gelassen. „Schon um die Jahrhundertwende bei der letzten Rechtschreibreform gab es einen Aufstand, warum 'Accent' nun auch mit 'kz' (Akzent) geschrieben werden konnte.“

Der Mitinitiator der Aktion ist vor allem auf Landeswahlleiter Karl-Ludwig Strelen sauer, der organisatorisch beim Innenministerium angesiedelt ist. Der teilte den Gegnern der Rechtschreibreform Ende Februar mit, daß ihre ersten 70.000 Unterschriften ungültig seien. Begründung: Sie wurden nicht auf rechtsgültigen Unterschriftenbögen gesammelt.

Die Initiatoren zogen daraufhin vor Gericht, wo sie jedoch im ersten Anlauf scheiterten. Jetzt versuchen sie, aus der Not eine Tugend zu machen. Sie haben alle 70.000 Erstunterzeichner gebeten, nochmals zu unterschreiben – diesmal auf dem offiziellen Bogen. Doch nicht nur das: Ein jeder möge in seinem Bekanntenkreis fünf weitere Sympathisanten suchen. Dies ergäbe schon 350.000 der insgesamt benötigten gut 570.000 Unterschriften. „Damit würden wir aus der angeblichen Schlappe einen Riesenerfolg machen“, meint Ahrens zuversichtlich.

H.E. Busemann/

U. Steinkohl, dpa