Träne im Einschußloch

■ Das Fantastival im Kino 46 macht's möglich: „Crying Freeman“, mal gezeichnet, mal ganz in echt

Pünktlich um 18.29 Uhr startet morgen im Kino 46 das „Fantastival 97“. Die zum nunmehr fünften Mal stattfindende Reihe vereint Erstaufführungen, Vorpremieren und Klassiker des Fantasy-Genres aus verschiedenen Ländern. Einer der Schwerpunkte des fünftägigen Fantastivals liegt beim japanischen Animationsfilm.

Wenn japanische Comics Erfolg haben, werden sie in ihrer Heimat zu Zeichentrickserien verarbeitet. Wenn diese Zeichentrickserien ebenfalls Erfolg haben, machen westliche Produzenten immer häufiger Realfilme daraus. Zuletzt so geschehen mit dem Killer-Melodram „Crying Freeman“, ursprünglich ein Comic von Kazuo Koike und Ryuishi Ikagami. Das Kino 46 zeigt anläßlich des „Fantastivals“den Realfilm sowie die erste und die letzte Episode der sechsteiligen Animationsreihe.

Der Titelheld Yo Hinamura ist zunächst glücklich als erfolgreicher Töpfermeister und Künstler. Eine mysteriöse Geheimorganisati-on hat eine andere Karriere für ihn vorgesehen: Als „Sohn des Drachen“sei er der geborene Auftragskiller. Er wird im Töten ausgebildet, mit einer Drachen-Ganzkörpertätowierung versehen und auf den Namen „Crying Freeman“getauft, weil er nach seinem ersten Mord stumme Tränen vergoß und eigentlich viel lieber ein freier Mann wäre.

Fortan wird das Tränenvergießen ebenso zu seinem Markenzeichen wie das Blutvergießen. Eines Tages begegnet er einer sensiblen Künstlerin, die zur Zeugin eines Mordes wird. Als solche müßte Yo auch sie ins Jenseits befördern, aber er verliebt sich in sie. Anstatt sie zu töten, flieht er mit ihr in sein Refugium im Wald. Sehr zur Unbill von Polizei und Gangstern, die noch ein Hühnchen mit dem Killer zu rupfen haben und dem Liebespaar nachstellen.

Christophe Gans, der deutschstämmige Regisseur der französisch-kanadischen Realverfilmung, inszenierte zuvor eine hübsche aber einfältige Episode für den Horrorfilm „Necronomicon“. Seine „Crying Freeman“-Version fällt ähnlich zwiespältig aus. Er protzt mit originellen, wunderschönen Überblendungen, warmen Farben und ungewöhnlichen Perspektiven, bietet dabei aber oft nur Handwerk als Selbstzweck. Die Dramaturgie leidet darunter erheblich. Eine besonders schöne Explosion mal in Zeitlupe zu zeigen, ist legitim. Aber aus ausnahmslos jeder Schießerei ein Slow-Motion-Ballett zu machen, ist ermüdend.

Zudem wird Gans' Film die undankbare Aufgabe zuteil, mit der selben Geschichte wie die 50minütige Zeichentrick-Episode „Portrait of a Killer“die doppelte Laufzeit füllen zu müssen. Das hat zur Folge, daß der Nebenaspekt der rivalisierenden Gangsterbanden zu einem unnötigen und nicht immer schlüssigen Handlungsstrang aufgeblasen wurde.

Gans hat seine Bildregie oft detailgenau vom Zeichentrickpendant übernommen und übertrifft dieses dabei noch, was die reine Ästhetik angeht. Die unwirkliche Zeitlupe der Action-Szenen paßt in die künstliche Comic-Welt derweil weitaus besser. Außerdem zeigen die animierten Filmchen mehr Mut zur genretypischen Eindeutigkeit in der Darstellung von Sex & Crime als die Realverfilmung. Fliegende Augäpfel und spritzende Blutfontänen entkommen den Scheren der Zensoren wohl eher, wenn sie bloß gezeichnet sind.

Andreas Neuenkirchen

Trick: Donnerstag, 22.30 Uhr, Real: Samstag, 20.30 Uhr