Sie spielen wie ein Mann, Madame

■ Im Philharmonischen Kammerkonzert: Frauen brillierten und ein Herr radebrach

Immer wieder taucht die Frage auf, ob und warum Festivals für die Kunst von Frauen nötig seien. Solange diese in traditionellen Programmen beharrlich verschwiegen wird, so lange ist das notwendig. Ändern könnte sich einzig und allein etwas, wenn gute Werke von Komponistinnen in unserem Konzertleben selbstverständlich präsent sind, wie jetzt im letzten philharmonischen Kammerkonzert in der Waldorfschule. Allerdings war die Wiedergabe des Flötentrios in e-Moll op. 45 der französischen Komponistin Louise Farrenc (1804-1875) getrübt durch die Ansage des Cellisten, daß „der Farrenc“an zweiter Stelle gespielt würde.

War's Unwissenheit? War's ein Versprecher, der ihm auch noch ein zweites Mal unterlief? Der umgekehrte – „Jetzt kommt die Beethoven“– ist jedenfalls schlichtweg nicht vorstellbar. Auch strotzte sein katastrophaler Versuch, etwas über die Komponistin zu sagen, von Unkenntnis. Das hätte er mit Sicherheit keinem Komponisten angetan. Kein Wort von Farrencs Profileben, dem einer Komponistin, Klavierprofessorin und Herausgeberin bedeutender Klavieranthologien, sondern: „Sie war die französische Clara Schumann“.

Aber hängen wir die Ansprüche nicht zu hoch, gespielt wurde das explosive und leidenschaftliche Werk vortrefflich. Der Flötist Patrick Gallois, die Pianistin Anne-Marie McDermott und der Cellist Alban Gerhardt boten ein klanglich ausgewogenes, gut aufeinander hörendes Triospiel, in dem die Pianistin – wie überhaupt in dem ganzen Konzert – kräftig wirbelnder Motor war. Von ihr kamen die Impulse, die beide Männer unterschiedlich aufnahmen: der Cellist zum Teil sehr klangschön, zum Teil aber unberechenbar in der Hektik der Ausbrüche und dem Versuch expressiver Alleingänge. Der Flötist hingegen praktizierte mit etwas Hauch in der Tongebung vornehme Zurückhaltung.

Das Programm enthielt weitere Raritäten der Gattung: das Trio op. 78 von Johann Nepomuk Hummel, geschrieben 1818. Fast kann man das Werk des Mozart- und Salierischülers als ein Klavierkonzert mit der Begleitung von Flöte und Cello bezeichnen, so zentral und hochvirtuos ist der Klaviersatz. Es war eine helle Freude, wie Anne-Marie McDermott auf den Tasten mit kristallener Genauigkeit herumflitzte, wie sie die Synkopen geradezu herausschleuderte, und welche Klangfarben ihr für die wilden Kaskaden Hummels zur Verfügung stehen. Verständlich, daß Hummel, der auch ein weltberühmter Klaviervirtuose war, eine Flut von Kompositionen für das Piano-Forte auslöste.

Das Stück wirkt durch und durch zukunftsweisend, in seiner Brüchigkeit, in seiner impressionistischen Brillanz. Hummel, nicht nur ein vergessener, vielleicht auch ein verkannter Komponist, ebenso wie Louise Farrenc?

Das Konzert reihte Rarität an Rarität: so auch das Trio in g-Moll von Carl Maria von Weber. Die Interpretation der drei betonte die Melancholie und die Zerrissenheit des Werkes. Weniger befriedigend klang ein Trio von Haydn, in großen Bögen und weitatmigen Cres-cendi hingeperlt bar jeglicher aufführungspraktischen Kenntnise. Und der böhmische Musikant Bohuslav Martinu schrieb 1944 im Exil ein wirklich lustiges Stück, ein Trio für Flöte, Cello und Klavier, man faßt es kaum. Viel Beifall, der als Dankbarkeit für das Kennenlernen besonders der Werke von Farrenc, Weber und Hummel wirkte.

Ute Schalz-Laurenze