Angst vor der Radio-Kooperation

Die Sender SFB und ORB wollen zusammen künftig mehr Kulturradio machen. Doch Kulturschaffende laufen Sturm gegen die Pläne. Im „Forum Hauptstadtkultur“ wurden sie diskutiert  ■ Von Lutz Meier

Es wimmelte von Bekenntnissen und Beschuldigungen beim „Forum Hauptstadtkultur“ in der Akademie der Künste. Jens Wendland etwa, Hörfunkchef des SFB, mußte sich anhören, er sei nicht Herr im eigenen Haus. Und Intendant Günther von Lojewski wurde die Diagnose gestellt, daß er „offensichtlich Kommunikationsstörungen haben“. Seit die beiden öffentlich-rechtlichen Sender SFB und ORB Ende Februar verkündet haben, bei den Kulturradioprogrammen künftig zusammenzugehen, schlagen die Wogen hoch. Kulturschaffende und SFB-Mitarbeiter befürchten einen Ausverkauf der Kultur. Aus der Senatskanzlei wurde rapportiert, ein „Qualitäts- und Attraktivitätsverlust, was die Hauptstadtberichterstattung anbelangt“, stehe bevor.

Dabei wollen ORB und SFB ab August die Zahl der gemeinsamen Kulturprogramme nicht etwa verringern, sondern ausweiten: Aus dem ORB-Kulturfunk „Radio Brandenburg“ wird laut Planungen eine Begleitwelle mit „hohem Anspruch“ werden (Arbeitstitel: Radio 1). Das Berliner Kulturprogramm SFB 3 wollen die Macher als Hochkulturwelle mit großem Wortanteil weiterentwickeln. (Arbeitstitel: Radio 3). Dazu tritt noch ein neues Klassikprogramm, das Fremd- mit Eigenproduktionen mischt und über die Wellen des gescheiterten Dudelprogramms B Zwei verbreitet werden soll. Obendrein soll die Reform auch noch Geld sparen. Bis zu 13,65 Millionen Mark allein beim SFB, wie es heißt.

Für den Sender ist das das Hauptargument. Für Strippenzieher aus dem Rundfunkrat wie CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky das einzige. Senderchef Günther von Lojewski malte für den Fall eines Scheiterns ein „Horrorszenario“ mit Senderschließungen und Entlassungen an die Wand. Er faßte die Argumente für die Reform zusammen. „Wir geben nicht das Signal eines öffentlich-rechtlichen Rückzugs und stellen uns auf den gemeinsamen Markt in der Region ein.“

Die Gegner des Kontrakts zwischen ORB und SFB meinen, „der Kulturauftrag des Rundfunks manifestiert sich am besten in SFB 3.“ So drückte es Christian Kneisel von der Akademie der Künste aus, der als Kulturvertreter im SFB- Rundfunkrat sitzt. Kneisel bezog das ausschließlich auf SFB 3, und zwar so, wie das Programm jetzt ist. Deshalb, sagen sie, darf sich nichts ändern. In irgendeinem Planungspapier für das Nachfolgeprogramm war der Begriff „Crossover“ zur Skizzierung der Musikfarbe aufgetaucht. Crossover, das erstreckt sich von E-Musik bis zu Jazz und Chanson. Bei den SFB-3- Verteidigern hat das größte Ängste ausgelöst: Man müsse, warnte Kneisel, äußerst vorsichtig sein, wenn man die Grenzen zwischen E und U verwische.

Neben den Mitarbeitern fühlten sich auch Mitglieder des Verwaltungsrats, die kommenden Mittwoch über die Reform abstimmen sollen, uninformiert. Sollte dem Gremium kein Programmschema vorliegen, drohte Mitglied Landowsky, werde man die Pläne scheitern lassen. Alice Ströver mahnte eine „medienpolitische Gesamtsicht“ an: Es gehe um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Region – nicht um die Ängste einzelner Mitarbeiter. SFB-Chef von Lojewski versprach: „Sie sehen doch, daß ich kämpfe.“