Für Griechenland gehört der Islam nach Europa

■ Athen kritisiert Abgrenzungsversuche Bonns. Ausgleich mit Zypern als Modell

Genf (taz) – Während Bundeskanzler Kohl und andere führende westeuropäische Christdemokraten die EU in den letzten Wochen zunehmend als „christliches Projekt“ definieren und gegen die Türkei und andere „muslimische“ Staaten abgrenzen, kommt ausgerechnet aus dem überwiegend christlich-orthodoxen Griechenland deutliche Unterstützung für eine Integration des Islam nach Europa. „Der Islam gehört zur Zukunft Europas, die eine Zukunft mit den Muslimen sein wird“, erklärte Außenminister Theodorus Pangalos gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung. Der Islam sei längst eine fester Bestandteil Europas, unterstrich Pangalos unter Verweis auf die „vielen Millionen Muslime“, die in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien leben.

Der griechische Außenminister erklärte, der Widerstand Athens gegen eine stärkere Einbindung Ankaras in europäische Institutionen habe nichts zu tun mit einem grundsätzlichen Gegensatz zwischen Muslimen und orthodoxen Christen. Es sei Folge einiger konkreter Streitfragen, die alle lösbar seien. „Was wir von Ankara wollen sind drei Dinge: Verzicht auf jede Kriegsdrohung; Anerkennung der völkerrechtlich festgelegten Grenzen in der Ägäis sowie Bereitschaft zur friedlichen Beilegung von Differenzen durch internationale Vermittlung.“

Von zentraler Bedeutung sei die Lösung der Zypernfrage. „Ein Zypern, wo Türken und Griechen, Muslime und Christen demokratisch und harmonisch in Fortschritt und Wohlstand zusammenleben, wäre Modell des historischen europäischen Ausgleichs zwischen der Türkei und Griechenland.“ Überdies übte der Außenminister scharfe Kritik an den „Versuchen“ Deutschlands und Großbritanniens, die 1995 getroffene Vereinbarung über Verhandlungen zur Aufnahme Zyperns in die EU sechs Monate nach Abschluß der Maastricht-II-Regierungskonferenz zu „unterlaufen“. Dieses Verhalten sei „elend und gegen jede politische Moral“. Andreas Zumach