Graue Katzen

■ Iara Lee zeigt in Synthetic Pleasures wo die Verwandlung des Realen beginnt

Ein gezwitschertes Hungerlied. Ein Pieps, der auf den leeren Wassernapf im Virtuellen hinweist. Auf die Sekunde genau. Und schon ist der Japaner aus dem Häuschen. Der Kanarienvogel sieht wie eine verzauberte Stoppuhr aus, die den beengt wohnenden Asiaten den Federfreund samt Zwitschern, Futterverbrauch und -verdauung ersetzen soll. Der Verkaufsschlager des Jahres.

Japan, das Land der Cyborgs. Auch in Synthetic Pleasures, von Iara Lee lächeln sie einen asiatisch an und erledigen stellvertretend für den Durchschnittssterblichen falten- und zeitlos die aufregendsten Dinge. Ob Shopping bei Gucci, sensationelles Dating oder sportliche Höchstleistungen. Neun Leben reichen für den Aktionismus der virtuell Beseelten nicht aus.

Doch die Transformationen des Realen beginnen weit vor der Kolonialisierung computergenerierter Welten. Plastische Chirurgie, TV-Hochzeiten, reanimierte Lieblingsköter, eingefrorene Verwandte, operativer Geschlechtswechsel oder Skifahren in der Allwetterhalle. Bienenfleißig hat Iara Lee alles zusammengetragen, was die schöne bunte Welt seit Menschen träumen so bietet. Experten reden über künstliche Intelligenz, Computerkassen, Body-Piercing und launigmachende Drogen. Eigentlich könnten sie auch über Junk-Food reden. Eine Pommes ist eine Pommes ist eine Pommes und auch eine abstrakte Angelegenheit. Eine geometrisierte Kartoffel eine Abstraktion vom Essen. Das ist nichts Schlimmes und schmeckt obendrein. Aber ist es deswegen ein Cyborg?

Fragen über Fragen, und je mehr der Film kompiliert desto vergleichbarer scheint alles, bis am Ende alle virtuellen Katzen grau sind und die Schlagbäume zwischen Artefakten und Natur in mimetischer Harmonie verschwimmen. Und so verklumpt das ambitionierte Projekt der Koreanerin ein bißchen zu einem Kessel Buntes. Ein Bilderbogen, der die optischen Attraktionen und Verspieltheiten des Mediums und seiner Moden voll und ganz nutzt, aber nicht wirklich durchdringt.

Birgit Glombitza

ab heute im 3001, Fr und Sa mit Virtuella, die „Cybersex“zum Vorprogramm serviert