Hindernisstrecke Schulterblatt

Ein Stadtplan zeigt behindertengerechte und -feindliche Lokalitäten im Schanzenviertel. Ausprobiert von zwei RollifahrerInnen und  ■ Elke Spanner

Das erste Fettnäpfchen lauert gleich zu Beginn. „Laß uns zuerst zum Buchladen, der liegt auf dem Weg“, schlage ich vor. Und bilde mir auch noch ein, mitgedacht zu haben. Schließlich ist die Straße schnell überquert und außerdem der Bürgersteig abgeflacht. Rolligerecht, folgert die Fußgängerin blitzschnell. Von wegen, kontert Rollstuhlfahrer Dirk Kube und gibt ungerührt Gas. Gegenüber, vor dem Buchladen, ist der Kantstein nämlich nicht abgesenkt. Der Umweg mit dem Rollstuhl: 50 Meter auf der einen Straßenseite hin, 50 Meter auf der anderen zurück.

Fettnapf Nummer zwei folgt auf dem Fuße. Mal kurz telefonieren, mal kurz aufs Klo? Die beiden RollifahrerInnen, die den Hindernisparcours Schulterblatt vorführen, kommen aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus. Was für Menschen auf zwei gesunden Beinen eine Selbstveständlichkeit und keinen Gedanken wert ist, ist für solche im Rollstuhl unüberwindbare Hürde oder zumindest Anlaß zum Kopfzerbrechen. Telefonieren beim Shopping im Schanzenviertel? Fehlanzeige. Die nächste behindertengerechte Telefonzelle steht am Dammtorbahnhof. Kurz in den Imbiß, kurz aufs Klo? Nur im Schanzenstern in der Bartelsstraße gibt es eine Toilette, deren Eingangstür breit genug für den Rolli ist.

Das Schanzenviertel für Behinderte: Ein neuer Stadtteilplan will den Weg zu zugänglichen Orten weisen. Anders als im Hamburger Stadtführer für Behinderte werden nicht zentrale Einrichtungen für Kultur und Freizeit vorgestellt. Durch das von der Stadtentwicklungsgesell-schaft STEG herausgegebene Faltblatt soll das alltägliche Leben im Stadtteil erleichtert werden. Hier sind Läden, Lokale, Apotheken und andere Örtlichkeiten aufgeführt, die für Gehbehinderte zugänglich sind.

Dabei ging die STEG schon ausgesprochen pragmatisch vor: „Hätten wir uns an den DIN-Werten orientiert, hätten wir kaum etwas aufführen können“, ärgert sich Martin Elbl, der das Projekt maßgeblich geleitet hat. Indem ein niedriger, aber für Behinderte noch praktikabler Standard zugrunde gelegt wurde, konnten immerhin rund 100 Adressen zwischen Schulterblatt, Eiffler- und Stresemannstraße eingezeichnet werden. Doch neben den positiven Beispielen gibt es auch eine Mängelliste. Kleine Dreiecke im Stadtplan kennzeichnen unüberwindbare Hindernisse.

Der Stadtplan soll in den nächsten Wochen an alle Haushalte im Viertel verteilt werden. Gerade auch nichtbehinderte Menschen seien angesprochen, sagt Elbl und wird deutlich: Die sollten sich überlegen, „ob sie mit ihrem Konsumverhalten nicht die Läden unterstützen, die behindertengerecht befahrbar sind“.