Bremer Senftuben bisher clean

■ Polizei warnt aber weiter vor Gift aus Lidl-Markt (vgl. S. 6)

Die Polizeidienststelle Osterholz mutet zur Zeit an wie eine Lidl-Filiale. Bis gestern nachmittag hatten 350 KundInnen drei Tonnen Lebensmittel abgegeben. Die Senftuben, Ketchupflaschen, Milchtüten, Vollkornmüsli und gefüllten Obsttüten müssen inzwischen in Polizei-Lkw ausgelagert werden. „Man bekommt den Eindruck, die Leute bringen alles her, was nicht niet- und nagelfest ist“, sagte ein Polizeisprecher.

Vor dem Abtransport werden die Waren von 20 BeamtInnen penibel auf Einstichlöcher untersucht. So könnten die Lebensmittel mit dem hochgiftigen Zyanid verseucht worden sein. Gefunden hat die Polizei in Bremen aber bisher nichts. Darum will man zur Zeit nicht mehr ausschließen, daß Zyanid-vergiftete Produkte verkauft wurden. Falls doch noch verdächtige Waren gefunden werden, sollen sie sofort nach Frankfurt ins Polizei-Labor geschickt werden.

Die Produkte aus dem Lidl-Supermarkt wurden inzwischen mit mehreren Lkw abgefahren. Die Lidl-Geschäftsführung will das vollständige Sortiment austauschen. „Von der Windel über die Lebensmittel bis zu Batterien und Klopapier“, versichert Lidl-Geschäftsführer Uwe Pailat. Damit zerschlägt sich die Hoffnung einer nervenstarken Anwohnerin, die sich nach einem Sonderverkauf der Lebensmittel erkundigt hatte. Außerdem werden zur Zeit zwei zusätzliche Rücknahmekassen eingerichtet. Dort können die AnwohnerInnen ihre Quittungen von der Polizei eintauschen. Der Supermarkt soll heute wieder geöffnet sein.

Unterdessen erneuert die Polizei ihre Warnungen an die Bevölkerung vor allem in Bremen. Das Service-Telefon der Polizei unter der Rufnummer 362 16 200 ist nach wie vor geschaltet. Zudem können auch heute noch Waren aus dem Lidl-Markt gegen Quittung bei der Polizei abgegeben werden.

Anlaß für die Warnungen sind weitere Giftfunde in Regensburg. Dort ergab ein erster Test Zyanid in einer Mayonnaise-Tube. Genauso wie in einer Senftube in Saarbrücken. Da diese beiden Supermärkte zusammen mit dem Bremer Lidl-Markt in einem Drohbrief an die Nestlé-Tochter Thomy erwähnt wurden, ist zu erwarten, daß die Erpresser auch in Bremen vergiftete Produkte ausgelegt haben.

Nach Einschätzung der Polizei stammen die Anschläge von einer Tätergruppe. Bereits im August 1996 war in Thomy-Produkten Gift gefunden worden, so Firmensprecher Albrecht Koch. Im Unterschied zu damals sollen die Täter diesmal ihre Anschläge auf sämtliche Produkte in den Supermärkten ausgedehnt haben. Angebliche Forderungen der Erpresser über Rohdiamanten im Wert von 25 Millionen US-Dollar bezeichnete die Polizei als „hanebüchen“. jeti/dpa