■ Vorschlag
: Echte Chinesin, wie? „Double Happiness“ von Mina Shum

Jedesmal, wenn die 20jährige Jade Li (Sandra Oh) wieder einmal die traditionell chinesische Familienetikette verletzt hat, wiederholt sich dasselbe Ritual: Mit einem hübschen Geschenkkarton läuft sie bei Papa Li (Stephen Chang, ehemaliger Sparringpartner und Rivale von Bruce Lee) auf, um den gestrengen Patriarchen eventuell zu besänftigen. Daß erstens die Rote-Bohnen-Pasteten in der Verpackung Vatis Lieblingssorte sind, wissen beide. Daß zweitens dieser Usus in „Double Happiness“ ein halbes dutzendmal abläuft, hat einen guten Grund: Jades chinesisches Zuhause steht in Kanada, sie wohnt noch bei den Eltern, und auch wenn sie sich daheim in geblümte Kleidchen zwängt, ist sie der braven Tochterrolle längst entwachsen. Die in Hongkong geborene und in Kanada aufgewachsene Regisseurin Mina Shum verleiht ihrer Story bewußt die ganze Wucht autobiographischer Selbstironie. Ihre Jade sieht sich als angehende Schauspielerin, und so ist filmreife Dramatik in Alltagssituationen der Running Gag des Films.

In solchen Momenten ist Jade ganz tragische Diseuse in voller Theatertoilette. Ein simples Vorstellungsgespräch bei McDonald's – wo Shum selbst fünf öde Jahre lang jobbte – wird zur Staatsaktion.

Bei Jades erstem richtigen Vorsprechen dann erlaubt sich die Regisseurin ein Remis in eigener Sache. Sie selbst spielt die Regisseurin Fade Eng, der sie einen der Schlüsselsätze des Films in den Mund legt. „Sie sind also eine echte Chinesin, wie?“ fragt sie mit maliziös hochgezogener Augenbraue. Denn Janet kann als Einwandererkind zwar Chinesisch sprechen, aber als sie im Skript die Schriftzeichen sieht, muß sie passen und zieht mit hängenden Ohren von dannen.

Auf dem Heiratsmarkt erweist sie sich dagegen erfolgreich als unvermittelbar. Vielmehr nutzt sie die jeweils von den Eltern beider Seiten arrangierten Rendezvous zum Austausch neuer Tricks. Ausgiebig wird in diesem Film gegessen, am Eßtisch lamentiert und gestritten. Ein Grund, warum Shums Debütfilm streckenweise so aussieht wie Ang Lees „Wedding Banquet“ für den Hausgebrauch. Mit dem entscheidenden Unterschied allerdings, daß für Tochter Jade der Versuch, auf beiden Hochzeiten zu tanzen, utopisch bleibt. „Was willst du denn jetzt anfangen? Du hast doch gar keinen Plan!“ ruft ihr die Mutter (Alannah Ong) beim Kofferpacken zu. „Genau das gefällt mir ja.“ Gudrun Holz

„Double Happiness“. Regie: Mina Shum. Ab heute im fsk