Nolte umarmt Frauenprojekte – und erwürgt sie

■ Bundesfrauenministerin Claudia Nolte eröffnet eine zentrale Koordinationsstelle für Frauenhäuser. Viele autonome Frauenhäuser fühlen sich dabei vereinnahmt

Berlin (taz) – Bundesfrauenministerin Claudia Nolte (CDU) sorgt derzeit für heftigen Unmut innerhalb der Frauenszene. Erstens erregt die ungeschickte Präsentation einer neugegründeten Zentralen Koordinationsstelle für Frauenhäuser im Pressedienst des Bundesministeriums den Zorn vieler autonomer Frauenhäuser. Zweitens sind nicht wenige Landesfrauenministerinnen und kommunale Frauenbeauftragte sauer auf Nolte, weil sie für die Schließung der „Vernetzungsstelle für kommunale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte“ sorgte. Das eine Projekt hat mit dem anderen nichts zu tun. Und doch mutet es an, als ob die Ministerin Projektlücken schließt, indem sie anderswo Projektlücken aufreißt.

„Nach 20 Jahren Frauenhausarbeit wird jetzt erstmals eine Zentralstelle an der Vernetzung aller Frauenhäuser in Deutschland arbeiten“, kündigte Noltes Pressereferat die Eröffnung der neuen Koordinationstelle unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in Frankfurt am Main an. „Das liest sich so, als sei das die tollste Erfindung seit der Brotschnitte“, schimpft eine Sprecherin der „Zentralen Informationsstelle für Frauenhäuser“ (ZIFF) in Siegen. „Dabei gibt es uns seit 20 Jahren, wir vernetzen 140 autonome Frauenhäuser.“ Nolte habe die ganze Sache wohl nur deshalb so schnell über die Bühne gebracht, „weil jeder Staat durch die Plattform der Weltfrauenkonferenz in Peking verpflichtet wurde, eine nationale Vernetzungsstelle für seine Anti-Gewalt-Projekte zu installieren“. Es sei „eine für uns nicht nachvollziehbare Anmaßung, den Anschein zu erwecken, alle Frauenhäuser Deutschlands zu vertreten“, schrieben die Siegener Frauen empört an Claudia Nolte. Eine ganze Reihe von Frauenhäusern schlossen sich dem Protest an.

Wenn es denn überhaupt ein Versuch gewesen sein sollte, dann ist er mißlungen. Die neue Koordinationsstelle solle alle 400 autonomen und nichtautonomen Frauenhäuser vernetzen, die Vernetzung der autonomen Häuser also nicht ersetzen, versucht Noltes Sprecherin Annette Maltry zu beschwichtigen. Fast schon erschrocken reagiert Eva-Maria Bordt, Leiterin des neuen Projekts: Von einem „Gesamtvertretungsanspruch“ sei sie weit entfernt. Hier gehe es um ein Zusatzangebot, von dem alle profitieren könnten. Im übrigen sei nicht Peking, sondern eine Tagung in Berlin die „Initialzündung“ für die Koordinierungsstelle gewesen.

Skeptisch aus anderen Gründen ist die nordrhein-westfälischen Gleichstellungsministerin Ilse Ridder-Melchers (SPD). „Wir dürfen gespannt darauf warten“, orakelte sie, wer die Koordinierungsstelle für Frauenhäuser „in drei Jahren weiterfinanzieren wird“. Ihr Mißtrauen rührt aus der Schließung der in Hannover ansässigen „Vernetzungsstelle für kommunale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte“. Nach dreijähriger Modellförderung hatte Nolte sich geweigert, mindestens 45 Prozent der Kosten zu übernehmen, wie die mitbeteiligten Länder unter Verweis auf die „Bundesaufgabe Frauenförderung“ gefordert hatten. Das Büro in Hannover mußte schließen. Nun will die niedersächsische Frauenministerin Christine Bührmann (SPD) versuchen, die schmerzlich fehlende Koordinationsstelle mit neuem Konzept auferstehen zu lassen. Ute Scheub