Kommt Zeit, kommt Konsens?

■ Der Streit in der Nordelbischen Kirche um die Anerkennung „eheähnlicher Gemeinschaften“: Hamburgs Bischöfin Maria Jepsen im taz-Interview über die Vertagung der Debatte ins nächste Jahrtausend

taz: Am Wochenende tagt die Synode der Nordelbischen Kirche – wenn es nach Ihnen geht, nicht wieder zum Thema nicht-eheliche Lebensgemeinschaften. Lieber drei Jahre Diskussionspause?

Maria Jepsen: Ja, weil ich denke, daß wir bei diesem Thema im Augenblick nicht weiterkommen. Wir haben die verschiedenen Positionen benannt, sie beschäftigen uns seit drei Jahren. Man sollte die unterschiedlichen Meinungen nebeneinander stehen lassen. Wir müssen einfach sagen: Wir haben im Augenblick keinen Konsens.

Warum sollte das in drei Jahren anders sein?

Momentan ist auf allen Seiten zuviel Verhärtung da, zuviel Angst. Wir brauchen Zeit, damit sich das alles entkrampft. Es wird weiter so sein, daß Kirchenmitglieder diskutieren, und daß sich verschiedene Menschen für die Anerkennung nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften einsetzen, in Gemeinden und an verschiedenen Stellen. Aber offiziell kann die Kirchenleitung jetzt nichts machen.

Und im nächsten Jahrtausend fängt die Debatte wieder neu an?

Das kann natürlich sein. Ich hätte mir auch gewünscht, wir hätten den Streit früher abgeschlossen. Aber momentan ist das unmöglich, und die scharfen Töne von beiden Seiten tun uns nicht gut.

Glauben Sie, daß die Synode der Debattenpause zustimmt?

Ich will da gar keine Prognose wagen. Das hängt von der Vermittlung der Kirchenleitung ab und von der Stimmung. Ich weiß nur: Wir müssen vermehrt drängende Themen besprechen wie Arbeitslosigkeit oder Armut, und auch, wie wir unseren Glauben den Menschen näherbringen können. Vom Tisch ist das Problem deshalb nicht. Da kann sich die taz auch drauf verlassen, wenn es die taz in drei Jahren noch gibt...

Gibt es.

Das glaube ich ja auch. Jedenfalls, wir wollen diese Pause nicht aus Resignation, sondern weil das Thema Zeit und Reife braucht.

Sie sind jetzt seit fünf Jahren im Amt, das bedeutet für Sie: Halbzeit als erste Bischöfin der Welt. Setzt Sie die Vorreiterrolle unter Druck?

Der Erwartungsdruck war am Anfang sehr stark. Da merkte ich gleich: Dem kannst du nie genügen. Selbst wenn ich fünfzehn Bischöfinnen wäre, könnte ich nicht alle Erwartungen erfüllen. Jetzt, nach fünf Jahren, bin ich erstaunt, wie positiv das Echo gewesen ist. Frauen kommen stärker in der Kirche vor, fühlen sich mehr angenommen. Manche schreiben mir, es gebe mehr Offenheit in der Kirche. Das tut mir gut.

Und diese Portion Emanzipation tut der evangelischen Kirche gut?

Auf jeden Fall. Wir sind in vielem noch eine männlich geprägte Kirche. Ich sehe mich auch stark verpflichtet, als Frau viele Einladungen und Termine wahrzunehmen und zu zeigen: Frauen können auch leitende Positionen innehaben und daran Spaß haben. Besonders bei Frauen, die nicht in einem Leitungsamt sind, merke ich: Die werden oft an den Rand gedrängt und kaum wahrgenommen. Bei bestimmten Sitzungen zählt das, was von Männern gesagt wird, mehr als das, was von Frauen gesagt wird. In den großen Gremien ist es nicht leicht, Frauen zu ermutigen, ihre Kompetenzen einzubringen.

Wird es in fünf Jahren erneut die Bischofs-Kandidatin Jepsen geben?

Das hängt davon ab, wie sich die Kirche entwickelt, und ob ich dann noch da reinpasse. Im Moment würde ich mich nochmal wählen lassen. Ich kann mir vorstellen, daß das in fünf Jahren auch so ist.

Für wen würden Sie ihren Posten räumen?

Eine gute Frau würde ich bevorzugen. Einen Mann nicht unbedingt. Ich finde, wir Frauen müssen eine längere Kontinuität haben.

Fragen: Judith Weber