Keine Handelssanktionen gegen Iran

■ EU-Staaten rufen Botschafter aus dem Iran zurück. Nur Griechenlands Vertreter bleibt. Ende des „kritischen Dialogs“

Brüssel (taz) – Die Europäische Union plant keine Handelssanktionen gegen den Iran, wie das von der US-Regierung nach dem „Mykonos“-Urteil erneut gefordert wird. Ein Sprecher der deutschen EU-Vertretung in Brüssel sagte gestern, daß es bisher keine derartigen Überlegungen gebe. Demgegenüber sprach sich die Regierung von Norwegen gestern für Wirtschaftssanktionen der EU gegen Iran aus. Außenminister Björn Tore Godal kündigte bei einem Gespräch mit den Botschaftern aller EU-Länder in Oslo entsprechende Initiativen seiner Regierung bei der niederländischen EU- Präsidentschaft und in der UN an.

Bereits am Vorabend hatten sich die EU-Regierungen dazu durchgerungen, den „kritischen Dialog“ mit Teheran abzubrechen und die Botschafter aus dem Iran zurückzurufen. Das Berliner Gericht habe eine Beteiligung der iranischen Führung an den „Mykonos“-Morden festgestellt, erklärte die holländische Regierung, „die EU betrachte ein solches Verhalten als völlig inakzeptabel“. Italien zögerte, beorderte aber gestern seinen Botschafter ebenfalls in die Heimat zurück. Nur Griechenland tanzte aus der Reihe und will seinen Botschafter nicht zurückziehen. Bonn kritisierte gestern diese Entscheidung. Die Tatsache, daß sich Griechenland der Solidarität mit Deutschland entziehe, habe im Auswärtigen Amt und bei Ressortchef Klaus Kinkel „große Enttäuschung und Verwunderung“ ausgelöst, erklärte ein Sprecher.

Der Abbruch des „kritischen Dialogs“ bedeutet eine peinliche Kehrtwendung in der europäischen Iran-Politik. Der „kritische Dialog“ hatte schon häufig für Unmut gesorgt. Bundesaußenminister Klaus Kinkel hatte den Dialog stets mit dem Argument verteidigt, daß nur bei einem ständigen Gesprächskontakt eine Mäßigung der islamistischen Kräfte im Iran zu erreichen sei. Doch allein die von der iranischen Regierung wiederholten Drohungen gegen den britischen Schriftsteller Salman Rushdie zeigten, daß das Mullah-Regime für verbale Kritik unempfindlich ist. Der Dialog sorgte nur dafür, daß die Geschäfte weitergingen.

Die USA begrüßten die Entwicklung und forderten die EU auf, sich der US-amerikanischen Politik der Isolation des Iran anzuschließen. Innerhalb der EU war es vor allem die britische Regierung, die auf eine härtere Gangart gegenüber dem Iran drängte. Nach dem „Mykonos“-Urteil fordert London, über ein Waffenembargo nachzudenken. Doch den meisten EU-Regierungen geht die Botschafter-Rückrufaktion schon fast zu weit. Wie lange die Botschafter in der Heimat bleiben, hänge von der weiteren Entwicklung ab, hieß es gestern in Brüssel. Alois Berger