Mut und Mainstream

■ Spielzeitbilanz und Pläne für die neue Saison 1997/98 am Thalia Theater

Im Theater ist es doch am schönsten, sagte man sich am Thalia Theater und lud die Kulturjournalisten am Sonntag zur Spielplankonferenz. Zufriedene Gesichter sollten über die unchristliche Zeit hinwegtrösten: Die vergangene Spielzeit, so bilanzierte Ludwig von Otting, sei die wirtschaftlich erfolgreichste in der Geschichte des Thalias. Das mit 30 Millionen Mark subventionierte Theater konnte mit 564 Vorstellungen und Gastspielen sowie Fernsehaufzeichnungen seine Einnahmen auf 11,8 Millionen Mark erhöhen. Trotz Einsparungen von drei Millionen in den letzten vier Jahren wurde eine Rücklage von 1,2 Millionen gebildet.

Die laufende Spielzeit sei zwar auch „rekordverdächtig“, werde aber nicht ebenso erfolgreich abschließen, da wegen einer Deckenrestauration kein Sommergastspiel geladen werden kann. Auch künstlerisch ist man mit der Saison 1996/97 nicht ganz zufrieden: Chefdramaturg Wolfgang Wiens sprach von „dramatischem Mainstream“, der sich durchgesetzt habe.

Das soll sich in der kommenden Saison ändern. Zwar bietet der Spielplan des Großen Hauses nicht viele Überraschungen – außer Elmar Goerden sind die Regisseure Sven-Eric Bechtolf, Wolf-Dietrich Sprenger, Stefan Moskov, Niels-Peter Rudolf und natürlich Jürgen Flimm dem Thaliapublikum hinlänglich bekannt. Auch die inszenierten Autoren sind bis auf Eric-Emmanuel Schmitt höchst vertraut: Shakespeare, Brecht, Corneille, von Hofmannsthal und Ludwik Tieck. Doch anders die Pläne für das Thalia in der Kunsthalle: „Das TiK soll ganz radikal in den Dienst aktueller Stücke gestellt werden“, so Wiens. Den Anfang macht die Uraufführung von Wolf Christian Schröders Hechinger in Regie von Jens Schmidl; Phaidras Liebe von Sarah Kane und Popcorn von Ben Elton sollen folgen.

„In absehbarer Zeit wäre ein Wechsel am Haus sehr gut. Es muß etwas passieren, bevor wir alt und grau sind“, erklärte Flimm seine Vertragsverlängerung als Intendant des Theaters bis zum Jahr 2000; darüber hinaus stehe er nicht zur Verfügung, weil er sich ganz der Oper widmen will. Projekte in New York, Chicago, Zürich und Mailand habe er bereits zugesagt.

Gemunkel um Sven-Eric Bechtolf als seinen designierten Nachfolger wies Flimm zurück: „Sven ist nicht Kronprinz, sondern Azubi. Ihn Prinz zu nennen, wäre vermessen gegenüber seiner Biografie und dem Aufsichtsrat.“ Christiane Kühl