„Wir sind doch nicht im Kindergottesdienst“

■ Zweiter Tag der GAL-MV: Streit um zu wenig Realos und zuviel Mauscheleien

Es gibt Momente, in denen guckt GAL-Fraktionsvorsitzender Willfried Maier noch angespannter als sonst – wenn er beispielsweise rund 250 GAL-Mitgliedern erklären will, wie das funktioniert mit der KandidatInnenkür. „Natürlich hat es Absprachen gegeben“, beichtete Maier am Sonntag ins Mikrofon. Wenn zu viele Linke gewählt werden, stellen sich für den nächsten Platz vielleicht nur Realo-KandidatInnen zur Wahl. Außerdem bestimmen die Flügel interne Ranglisten. Das alles, findet Maier, sei ganz normal – schließlich sei man „nicht im Kindergottesdienst“.

Der Vergleich ging als einer der originellsten, Maiers Rechtfertigung als offizielle „Gegenrede“ins Protokoll der GAL-Mitgliederversammlung (MV) ein – Gegenrede zu dem, was Kandidatenanwärter Volker Nienstedt zuvor ins Publikum gepöbelt hatte. Nienstedt warf dem eigenen Flügel Kungelei vor, fühlte sich verraten und taktischen Absprachen geopfert.

Weshalb sonst dürfe er nicht wie vorgesehen für die Realos auf dem Listenplatz 18 kandidieren, sondern bekomme mit dem ehemaligen GEW-Vorsitzenden Hans-Peter de Lorent Konkurrenz aus den eigenen Reihen? Grund genug für den 41jährigen aus der Bezirksversammlung Mitte, die Realos voller Wut zum „Verlierer des Wochenendes“zu krönen.

Zumindest für letzteres sprach am Sonntag vormittag viel. Als die Mitgliederversammlung der Hamburger Grünen in die zweite Runde ging, waren 15 Listenplätze bereits vergeben, davon nur 4 an Realo-KandidatInnen. „Wir haben einfach stärkere Frauen“, freute sich Anna Bruns darüber, daß sich außer Krista Sager keine Reala unter den ersten 14 befindet. „Die Versammlung ist unberechenbar“, klagte es aus Realo-Reihen.

Frust machte sich breit bei Krista Sager, Willfried Maier und Co. Es galt, auf den verbleibenden Plätzen eigene BewerberInnen durchzubringen, auf daß „die Krista“keine einig linke Liste in den Wahlkampf führen muß. Denn nur die ersten 22 Plätze gelten als sichere Bürgerschaftssitze. Momentan hat die GAL 20 Abgeordnete im Rathaus, rechnet aber ab September mit deutlich mehr. Also wurde im stillen Kämmerlein gekungelt und verhandelt, bis die Linken sich bereiterklärten, keinen eigenen Kandidaten auf Platz 18 vorzuschlagen. Das allerdings nur, wenn de Lorent antrete. Gedealt, getan. De Lorent wurde gewählt, trotz Nienstedts lautstarker Gegenkandidatur.

Als dann noch die Realo-Frauen Anja Hajduck, Sonja Deuter und Bettina Kähler durchkamen, wirkte Willfried Maier schon entspannter – zumal auf Platz 20 Mahmut Erdem landete, gleichzeitig Realo und einziger Migrant auf der Liste.

Judith Weber