"Vielleicht bleibt etwas hängen"

■ Filz bei der Auftragsvergabe für Flughafen Schönefeld? Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD): Vorwürfe sind parteipolitisch motivierte "Verleumdung"

Der neue Großflughafen Berlin-Brandenburg in Schönefeld kommt aus den Negativschlagzeilen nicht heraus. Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) wird vorgeworfen, sie habe als Aufsichtsratsvorsitzende der Projektplanungsgesellschaft Schönefeld (PPS) dafür gesorgt, daß eine Firma einen Auftrag erhielt, deren Geschäftsführer mit dem Sohn von Peschel-Gutzeit eine andere Firma führt. Peschel-Gutzeit dementierte jegliche Einflußnahme; eine solche wurde auch nicht nachgewiesen.

Verantwortlich für die Beauftragung sollen die Firma WIB und deren Geschäftsführer Herbert Märtin sein. Dem SPD-Mitglied wird vorgeworfen, er sei als Berater der Holdinggeschäftsführung zugleich mit der Auftragsvergabe für die Planung beschäftigt, für die sich seine Firma beworben hat.

Am Freitag steht die Auftragsvergabe für das Projektmanagement für Schönefeld auf der Tagesordnung der PPS. Nach Informationen der taz steht Märtins WIB auf Platz eins der Ausschreibung.

taz: Wenn nichts an den Vorwürfen gegen Sie dran ist, warum werden diese dennoch beständig wiederholt?

Lore-Maria Peschel-Gutzeit: Es ist an meinen Sohn kein Auftrag vergeben worden, weder von der Flughafenholding noch von der beauftragten Firma WIB. Rolf hat keine Arbeit geleistet und kein Geld bekommen. Aber das ist der Witz einer jeden Verleumdung. Sie wird ausgesprochen in der Hoffnung, daß etwas hängenbleibt. Und da ich bisher in Berlin ein ganz gutes Ansehen habe, ist es vielleicht gar nicht schlecht, zu versuchen, dieses Ansehen herabzusetzen.

Übernächstes Jahr ist Wahl, da wollen manche erreichen, daß die SPD keinen besseren Stand und kein besseres Ansehen hat als die anderen. Anders kann ich mir das Ganze nicht erklären.

Nun richtet sich die Kritik aber nicht nur gegen die Mutter Peschel-Gutzeit. Die Beraterfirma WIB und deren Geschäftsführer Herbert Märtin sind in diesem Zusammenhang belastet worden. Haben sie Märtin aus Motiven der Parteifreundschaft gestützt?

Das ist immer der zweite Vorwurf. Aber sehen Sie, es stehen massivste wirtschaftliche Interessen hinter der Auftragsvergabe. Ich bin mit der Firma WIB überhaupt nicht verbunden. Es heißt ja immer: engster Parteifreund. Herr Märtin soll in der SPD sein. Ich habe ihn noch nie auf einer SPD-Veranstaltung gesehen. Aber ich habe auch gar keinen Anlaß, seine Parteimitgliedschaft zu bezweifeln.

Herr Märtin hat bisher vernünftige Arbeit geleistet. Wer das bezweifeln will, soll mal mit der Firma sprechen, die jetzt die Privatisierung vorbereitet. Deren Mitarbeiter haben mir berichtet, daß vernünftig, schnell und präzise reagiert wird, seit die WIB als Beraterfirma tätig ist. Aber da wollen auch andere hinein!

Da haben Sie das Szenario: Man versucht, diese eine Firma auszubooten, und es wäre doch wunderbar, wenn ich gleich ordentlich ein paar Schrammen mit bekäme.

Warum wurde dann im PPS- Aufsichtsrat bislang nicht über die Auftragsvergabe entschieden?

Das hat nichts mit der WIB zu tun. Der 7. März war der vom Geschäftsführer der Holding, Herrn Herberg, schon im Januar ausgewählte Termin. Er hatte auch auf meine Nachfrage versichert, bis dahin alles Nötige vorzubereiten. Am 6. März kam eine Verfügung des Verkehrsministeriums aus Brandenburg: Es wurde uns untersagt, am nächsten Tag den Auftrag zu vergeben, weil ein Widerspruch eines Mitbewerbers vorlag. Und auch an dem dann vereinbarten 27. März stellte sich heraus, daß die Auswertung der Ausschreibung wieder nicht fertig war.

Die Verzögerung hat nichts mit politischen Differenzen innerhalb der Flughafenholding zu tun? Immerhin kamen die Vorwürfe gegen Märtin und gegen Sie unter anderem aus der Holding.

Man muß unterscheiden zwischen der Holding und den ehemaligen Geschäftsführern. Die Vorwürfe kommen jetzt vor allem von der Arbeitnehmerschaft. Das hat sicherlich damit zu tun, daß Teile der Arbeitnehmerschaft die jetzige Entwicklung hin zu einer Privatisierung möglicherweise nicht gut finden. Möglicherweise fürchten sie um ihre Arbeitsplätze.

Zwischen den Gesellschaftern besteht also kein Dissens? Auch nicht zur gesamten Flughafenplanung in Tegel, Tempelhof und Schönefeld?

Offiziell besteht er nicht. Wir müssen uns immer wieder anhören, auch von CDU-Politikern in Berlin, daß Tegel auf Dauer behalten werden soll oder Tempelhof oder beide. Das sind alles Verstöße gegen den Konsensbeschluß. Offiziell sagt aber der Aufsichtsratsvorsitzende der BBF, der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen: Single-Flughafen. Das ist die Meinung aller Gesellschafter. Und wenn der Aufsichtsrat tagt und Brandenburgs Ministerpräsident Stolpe fragt: Sind wir noch auf dem Boden des Konsensbeschlusses?, dann sagen alle: Ja, wir wollen einen Single-Flughafen in Schönefeld.

Bis wann wird die Planung stehen?

Die muß ja sehr schnell vorangetrieben werden, wenn wir das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz erreichen wollen. Die Frist ist deshalb der 31.12. 1999. Das ist die absolute Deadline zur Einreichung des Planfeststellungsverfahrens.

Gegen die WIB wurden neue Vorwürfe erhoben. So habe Märtin wahrheitswidrig angegeben, seine Firma sei an der Planung für den Flughafen Frankfurt beteiligt gewesen.

Die Vorwürfe werden selbstverständlich geprüft. Aber wenn nichts dran ist, gibt es auch keine Konsequenzen. Die WIB konnte sich mitbewerben und hat sich mitbeworben. Wenn WIB bei einer Reihe von Gewerken an oberster Stelle stehen sollte, dann gibt es meines Erachtens keine Möglichkeit, diesem Angebot nicht zu folgen. Sonst setzen wir uns Regreßforderungen aus. Und das braucht die BBF so dringend wie eine Sturmflut: noch ein paar Regreßansprüche. Interview: Barbara Junge