Skinheads, zoologisch betrachtet

■ Verfassungsschutz über Rechtsextreme: Sie trinken und tragen Baseballschläger. Die Ursachen bleiben im dunkeln

Was wir über Rechtsextremismus wissen: 78 Prozent der Gewalttäter sind zwischen 14 und 20 Jahre alt, ebenso viele haben einen Hauptschulabschluß. Wir kennen die Summe der Gewalttaten, wissen, wie viele Menschen getötet wurden, welche Musik die Rechten hören und daß sie gerne Baseballschläger mit sich herumtragen.

Das ist dann aber auch schon fast alles, was auf 15 Tafeln und in drei Schaukästen zu erfahren ist. Ab Mittwoch demonstriert das Bundesamt für Verfassungsschutz im Säulensal des Berliner Rathauses sein Bild vom „Rechtsextremismus in Deutschland“. Unter Schlagworten wie „Gewalt in Deutschland“ oder „Die Täter“ liefern die Schautafeln außer statistischen Erkenntnissen herzlich wenig. Die Ausstellung, an alle „politisch interessierten Bürger“ gerichtet, erschreckt dabei weniger wegen der vom Rechtsextremismus ausgehenden Gefahren, sondern wegen ihrer simplen Aufarbeitung des Themas – die meilenweit entfernt ist von den sonstigen Kenntnissen des Verfassungsschutzes.

In einem zehnzeiligen Text unter dem Foto eines kurzhaarigen Jungen vor einem Computer wird auf das „Thule-Netz“ verwiesen – und auf die „linksextremistischen Vorbilder“ der „rechtsautonomen Struktur- und Kampfmuster“. Über rechtsextremistische Ideologie lernen wir – ungekürzt: „Nationalismus und Rassismus sind die Wurzeln aller rechtsextremistischen Aktivitäten. Nicht Geschichte oder Kultur entscheiden über die Zugehörigkeit zum ,Rassevolk‘, sondern allein die biologische Abstammung. Rechtsextremisten verstehen sich als Elite, alle anderen Menschen halten sie für minderwertig.“

Mit keiner Zeile und keinem Bild wird der zoologische Blickwinkel verlassen. Keine Frage nach Zusammenhängen, nach den Ursachen des Rechtsextremismus, keine Frage nach der Verantwortung der Gesellschaft, der Familien, der Medien, der Politik gestellt. Selbst über das Forschungsprojekt „Skinhead“ ist alles, was wir erfahren, daß er „sehr häufig sozialen Randlagen“ entstammt. Und: „Gemeinsam fühlen sie sich stark, und Alkohol läßt sie ihre Defizite vergessen.“

Dabei haben die Aussteller sich viel vorgenommen: „Die Besucher sollen sich mit dem Rechtsextremismus fundiert auseinandersetzen können“, erklärt Bodo Becker, Pressereferent beim Bundesamt. „Und wir wollen über die Bedrohung informieren.“ Nebenher verfolgt der Verfassungsschutz noch ein ganz anderes Ziel: Dem Bild eines geheimnistuerischen Nachrichtendienstes entgegenzutreten. „Wir wollen alten Klischees entgegenwirken“, so Becker. „Soviel Offenheit wie möglich.“ Da kann ein bißchen Eigenwerbung nicht schaden. Jeannette Goddar

Bis 5. Mai, Berliner Rathaus. Mo.–Do. 9–17 Uhr, Fr.9–13 Uhr