Chatting statt Petting

■ Mit "Bravo ScreenFun" kommt die erste Computerzeitschrift für Jugendliche

Hallo, Fans! Wollt ihr wissen, wie DJ Bobo seine heißen Hits programmiert? Oder wieviel E-Mails Smudo von den Fantastischen Vier jeden Tag bekommt? Dann holt euch Bravo ScreenFun – für mehr Spaß am Bildschirm!

So ungefähr müßte es wohl klingen, wenn Bravo ScreenFun im Fernsehen beworben werden würde. Im Gegensatz zum Mutterblatt geht es in ScreenFun nicht um Boygroups und Petting, sondern um Software und Chatting. Statt mit Tic Tac Toe und Blümchen füllt die knatschbunte Gazette ihre Seiten mit den Super Mario Brothers und Donkey Kong. Statt CDs werden CD-ROMs besprochen. Auf dem obligatorischen Poster ist statt Madonna ein Bild von Lara Croft, Heldin des zur Zeit oberangesagten Games „Tomb Raider“. Und anstelle der großen Bravo- Foto-Liebesgeschichte gibt es Erfahrungsberichte von Teenies, bei denen es „online voll gefunkt hat“ – die sich also beim Chat im Internet kennengelernt haben.

Zur Zeit vergeht fast kein Monat, in dem nicht mindestens eine neue Computerzeitschrift auf den Markt kommt. Zu jeder Software und für jeden Computertyp gibt es Dutzende von Spezialzeitungen – bloß eine Marktlücke klaffte bislang noch weit offen: Eine Computerzeitschrift für Kids hat bislang noch kein Verlag im Programm. Und das, obwohl Kinder und Jugendliche bekanntlich zu den aktivsten Usern von Computern und Videospielen gehören. Mit Bravo ScreenFun will der Bauer Verlag in diese Marktlücke vorstoßen.

„In der Zeitschrift soll es um alles gehen, was auf dem Bildschirm Spaß macht“, sagt Claus-Dieter Grabner, Verlagsleiter bei Bauer, egal, ob es um Spiele für den Macintosh oder Sega Games, um Software für Windows PCs oder um Pager gehe. „In zehn Jahren wird so eine Zeitschrift da sein“, so Grabner, „denn dann gibt es diese ganzen verschiedenen Systeme nicht mehr.“ Bravo ScreenFun soll bereits jetzt ausloten, ob es eine Zielgruppe für so ein Blatt gibt, aber „wir stehen nicht unter Druck“. Falls die Nullnummer floppt, soll Schluß sein.

Schon mit dem Bravo-Spin-off Bravo Sports war der Bauer Verlag in einem ähnlichen Marktsegment erfolgreich. Der Bravo-Ableger Bravo Sports, der inzwischen eine Auflage von 500.000 verkauft, war 1994 ebenfalls als Sonderheft auf den Markt gebracht worden. Bravo ScreenFun wird ohne großen Werbeaufwand auf den Markt gebracht. Chefredakteur Anatol Locker: „Wir wollen sehen, ob man so ein Objekt auch ohne Werbemillionen verkaufen kann.“

Solche Erweiterungen der Dachmarke Bravo beleben auch das Anzeigengeschäft. Bei Bravo Sports hat sich gezeigt, daß Werbekunden, die zuerst in dem Spezialtitel Anzeigen schalteten, später auch als Inserenten für die wöchentliche Bravo gewonnen werden konnten. Bei Bravo ScreenFun ist das redaktionelle Umfeld extrem werbefreundlich: Das Heft besteht zu einem guten Teil aus „Konsumanregungen“, und auf einer Doppelseite werden „elektronische Helferlein“ vom Scall Pager bis zum Nachtsichtgerät (!) angepriesen...

Im Gegensatz zu der Traditions- Bravo hat ScrenFun allerdings ein journalistisches Problem: In der Multimedia-Branche gibt es keine Boygroups und keine „Spice Girls“, mit denen man das etwas trockene Thema personalisieren könnte. Die Game-Tests mit Teenie-Stars sind eine gute Idee, aber auf die Dauer dürfte das ein bißchen monoton werden. Die digitale Kelly-Family muß sich die Bravo-ScreenFun-Redaktion wohl erst selbst programmieren. Tilman Baumgärtel