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: Üch wÜll spÜlen

■ Eine CD-ROM über Ernst Jandl macht Spaß, weil Ernst mit der konkreten Poesie

Ernst Jandl ist ein Sonderfall der deutschsprachigen Literatur. Irgendwie paßt er in keine Ecke, in die man ihn stellen will, so richtig hinein.

Für den reinen Nonsens ist sein Werk zu experimentell, zu sperrig und manchmal auch zu abgründig. Aber um das Gütesiegel A der deutschen Literaturkritik zu bekommen, sind seine Gedichte dann doch wieder zu verspielt und zu unterhaltsam.

„Ottos Mops (trotzt)“ trifft genau den Ton von Jandls Gedichten. Diese CD-ROM ist ebenso merkwürdig und verschroben wie die Lyrik des österreichischen Schriftstellers: Manchmal sieht der Monitor aus wie eine amoklaufende Partie Scrabble, doch dann gibt es wieder Momente von — wie sagt man in solchen Fällen? — schöner, poetischer Klarheit.

Dabei ist „Ottos Mops (trotzt)“ keine Eins-zu-eins-Umsetzung der Jandl-Lyrik in ein anderes Medium. Auf „Ottos Mops (trotzt)“ kommen aus Jandls Gedichten nur Bruchstücke vor. Und einmal sieht man einen kurzen Quicktime-Film von Jandl, der aus seinen Gedichten vorliest (verpoltert?, vergrollt?). Aber ansonsten widerlegt „Ottos Mops (trotzt)“ die weitverbreitete Ansicht, daß Ernst-Jandl-Gedichte eigentlich nur von Ernst Jandl vorgetragen werden können. Mein Computer kann das jetzt auch.

Produziert wurde diese CD- ROM von dem Musiker Bertram Quosdorf (ein Nachname wie aus einem Jandl-Gedicht) und dem „Interaktivisten“ KP Ludwig John, der durch sein Engagement bei der „Multimedia-Band“ Die Veteranen bekannt geworden ist. Zusammen haben sie die CD- ROM mit vielen kleinen Ideen, Anwendungen und Programmen vollgepackt. Man kann sich darüber streiten, ob man dem ganzen kurzweiligen Sammelsurium durch ein „Spiel gegen die Zeit“ ein Oberthema geben mußte.

Für Videogame-Fans ist „Ottos Mops (trotzt)“ wohl doch zu kopflastig und zu schwerfällig; und Jandl-Fans werden sich wahrscheinlich nur widerstrebend auf den Zwang zum Spielen einlassen. Auch Quosdorfs eitle Auftritte als „Rilke“ nerven auf die Dauer ein bißchen.

Aber durch einen Klick auf ein Icon mit der Aufschrift „Üch wÜll spÜlen“ kommt man in eine Art literarische Spielhalle, und dann wird's wirklich interessant. Die Programme, die nach dem „Jandl-Prinzip“ arbeiten, sind großartig: Auf Mausklick wird aus einem b ein d, das ein q wird, das ein p wird. Was gerade noch ein sinnvolles Wort war, ist plötzlich ein Silbenfriedhof. Buchstaben formieren sich zu grafisch- geometrischen Mustern, die man auch lesen kann.

Ein integrierter Zufallsgenerator organisiert die Lettern mal zu Sinn, mal zu Unsinn. Dann wieder muß der User ein Gedicht aus zwölfmal „zu“, zwölfmal „vom“, zweimal „zu“ und zweimal „zur“ zusammenstellen, das der Rechner anschließend leiernd vorliest. Das ist nun wirklich konkrete Poesie!

„Ottos Mops (trotzt)“ ist eine Umsetzung von Jandls Gedichten, die sowohl autoren- als auch mediengerecht ist, was von vielen CD-ROMs zu Autoren ja nicht gerade behauptet werden kann. Man fragt sich, ob Jandl das Ding autorisiert hat. Die Art, wie seine literarischen Sprachklaubereien hier digitalisiert worden sind, mußte ihm eigentlich gefallen haben. Beim nächsten Mal versuchen wir das Ganze dann mal mit Arno Schmidt. Tilman Baumgärtel

KP Ludwig John, Bertram Quosdorf: „Ottos Mops (trotzt) – Auf der Suche nach dem Jandl“. CD- ROM für Windows-PC oder Macintosh, Digital Publishing, 89DM