Bei Lüge kein Amt

■ Polnische Politiker müssen Geheimdienst-Mitarbeit offenlegen

Warschau/Berlin (AFP/taz) – Das polnische Parlament, der Sejm, hat letzten Freitag ein Gesetz verabschiedet, das die Überprüfung von Funktionsträgern und Kandidaten für öffentliche Ämter wegen einer möglichen Zusammenarbeit mit der früheren Geheimpolizei vorsieht. Betroffen davon sind Abgeordnete, Minister, Spitzenbeamte, Richter und Staatsanwälte sowie Bewerber für solche Funktionen.

Das Gesetz sieht vor, daß sich Amtsinhaber wie Kandidaten öffentlich dazu äußern, ob sie zwischen 1945 und 1990 mit den Sicherheitsbehörden zusammengearbeitet haben. Ein Sondergericht hätte diese Aussagen anschließend mit den aus dieser Zeit vorhandenen Unterlagen zu vergleichen. Nach dem Gesetzentwurf geht es nur darum, daß die Befragten die Wahrheit nicht verschweigen. Stellen sich ihre Aussagen als Lügen heraus, sind sie für die nächsten zehn Jahre von den entsprechenden Ämtern ausgeschlosssen.

Bei der Abstimmung war das Regierungslager gespalten. Die an der Koalition beteiligte Bauernpartei stimmte größtenteils für den Entwurf, der führende Koalitionspartner, das Bündnis der Demokratischen Linken (SLD), das aus der kommunistischen Arbeiterpartei hervorgegangen ist, kritisierte das Gesetz als „verfassungsfeindlich und inquisitorisch“. Die SLD-Abgeordneten, die ursprünglich für ein „Durchleuchtungsgesetz“ eingetreten waren, hatten gefordert, der Begriff „Zusammenarbeit“ mit der Geheimpolizei müsse genauer gefaßt werden.

Nach der noch ausstehenden Zustimmung durch den Senat, muß das Gesetz von Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski verkündet werden. Der frühere kommunistische Politiker könnte ein Veto einlegen. Eine Sprecherin des Präsidialamtes hatte das Gesetz „kleines Monster“ genannt. Die Polen haben bisher nur sehr zögernd das Ausmaß der Zusammenarbeit ihrer Mitbürger mit den Sicherheitsdiensten untersucht.

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