Flanken, flanken, flanken

■ Kurze Bälle, flache Schreibe: "Focus" gewinnt 3:2 gegen den "Spiegel".

Helmut Markwort sinkt schon nach acht Spielminuten zu Boden und raunt: „Das Team ist die Mannschaft“, während der Stefan vom Spiegel nach dem Halbzeit- „Tee“ ins Seitenaust torkelt – mit einer Fahne nicht gerade in den Vereinsfarben. Hatte man gehofft. Doch wie immer war das Leben langweiliger und zersetzender als die Fiktion. Viel weniger glamourös war es, als sich Spiegel und Focus am Hamburger Millerntor den Ball zuschoben. Waren doch beide Teams schon im Vorfeld darauf bedacht, etwaige Unstimmigkeiten als „total konstruiert“ dastehen zu lassen. Statt sie immer nur selbst zu sein, konnte man hier endlich mal die „doofe Presse“ geißeln.

Samstag ist Orkustag: Da geht es um Sport und um Mannsein, um nichts sonst. Flanken, flanken, flanken und immer an das Leder denken. Das Hinspiel in München war 2:2 ausgegangen, hinterher hatte man sich auf dem Oktoberfest verbrüdert. Auch diesmal mühten sich nicht prominente Redakteure – gut trainierte Leserbriefseitenvolontäre schienen nominiert worden zu sein. Keine Spur von Aust, keine Lache von Helmut Markwort.

Focus in blauen Trikots und Spiegel in Schwarz-Rot und, natürlich, haha, von links nach rechts beginnend. 20.000 Nachwuchskabarettisten hätten sich hier in jeder Beziehung gratis für spätere Bühnenprogramme in Kulturfabriken aufwärmen können, naheliegende, tieffliegende Wortspielzüge aus den Rohstoffen halblinks, rechtsaußen, politisches Abseits, rote Karte, gelb-rot und Doris Köpfs Eignung als Manndeckerin hätten Schenkelschlagen in noch so mancher Generation parteiübergreifender Sozialdemokraten auszulösen vermocht. Statt dessen aber nur die distinguiert sich sonnende Hamburger Schnöselgegengerade hüben und der dauerskandierende Focus-Block drüben.

Obwohl als Gastmannschaft angetreten, hatte sich Focus ein profundes Häuflein laut krakeelender Anhänger zusammengeflogen. Die eigene Geschichte auf den Arm, auf die Schippe und die leichte Schulter nehmend, hielten sie tapfer ein „Kicken Kicken Kicken“-Transparent in die Höhe. Obszöne Hostessen verteilten derweil viel zu viele Rasseln für die überschaubare Zahl des Focus- Gefolges, geschlossen in T-Shirts gezwängt, auf denen Gehirntraining und Muskelkater in einen pointenfreien Zusammenhang gerückt wurden.

Focus und Spiegel präsentierten sich an diesem Nachmittag als zwei deprimierend kampfunlustige Journale, die den Gegner so lange in Ruhe lassen, wie dieser eben dies tut. Satt und männerbündlerisch wird koexistiert. Auf einer natürlich gemeinsam gemieteten Bande war zu lesen: „Tore, Themen, Tatsachen“. Oder so. Vielleicht stand da auch Titel, Thesen, Temperamente oder Tic Tac Toe, ist ja auch egal. Wie so manches – Kohl der ewige Kanzler, wir die ewig und nur im Scherze uns balgenden Nachrichtenmagazine. Zwar obsiegte man Focus-seitens auf dem Spielfeld, die höhere Auflage habe aber ja wohl immer noch der Spiegel. Ach, kontert da ein schwitzender Focus-Mann (Journalist wohl), dafür habe man mehr Abonnenten. Und das Spiegel- Hochhaus hat vielleicht mehr Aufzüge als der Focus-Bungalow oder mehr Anzüge. Auf jeden Fall hat Focus mehr Rasseln, was immer das bedeuten mag, und damit zurück aufs Spielfeld.

Natürlich fielen auch Tore. So professionell ausgestattet Focus angereist war, so vergleichsweise passabel konnten sie auch kicken. Der leicht dickliche Spiegel-Torwart ließ dauernd Bälle runterrutschen, und irgendwann stand es schon 3:2 für den Focus. Helmut Markwort, die Speerspitze des neuen deutschen Antisemantismus, hatte seine Kurzsatztruppe perfekt eingeschworen: kurze Bälle, keine Nebenpässe, flach schreiben, hoch gewinnen.

Nach 75 lähmenden Minuten sprangen schließlich vier zu manchem entschlossene Spieler in Stern-Shirts aufs Spielfeld, schnappten sich den Ball, droschen ihn zwischen des dicken Spiegel- Keepers Gebälk und verließen umgehend wieder das Spielfeld. Daß sie für diesen wohltuend destruktiven Akt vom Küppersbuschschen Privatfernsehen geheuert wurden, minderte die Würde dieses hübschen Intermezzos kaum. Hier war sowieso alles egal. Und weil Männer Fußball spielen und Fußball SIND, weil Männer auch Bier spielen und SIND – deshalb gab es hernach noch ein dröges „Spanferkelessen“ auf der Kirmes.

Und weil Uwe Seeler so aussieht wie ein Fußball (und IST), muß er immer mittun, wenn Kameras und Fußball in Hamburg einander bedingen. Und der Herr Seeler sagte dann mal, daß er sagt, daß der Sportteil im Spiegel zwar kurz sei, aber in der Kürze könne ja auch die Würze undsoweiter. Und Fußball sei „gut für den Geist, damit die Artikel in den Zeitungen dann sehr gut werden“. In Deutschland ist Platz für zwei Nachrichtenmagazine, da kann man ganz sicher sein. Uwe Seelers Frau hat's nachgerechnet. Benjamin v. Stuckrad-Barre