Gute Witze, böse Witze

Zwischen Political Correctness und Ventilfunktion – der ethnische Witz. Ein Gespräch mit Professor Gert Raeithel über interkulturelle Humorattacken  ■ Von Mustafa Kaplan

taz: Werden durch ethnische Witze Vorurteile gefestigt?

Gert Raeithel: Ich neige eher dazu zu sagen, daß die meisten Leute, die ethnische Witze erzählen, also Türkenwitze, Österreicherwitze, Friesenwitze oder die schon fast ausgestorbenen Witze gegen meine eigene Minderheit die Bayern, eigentlich keine Vorurteile mehr haben gegen diese Gruppen. Eigentlich sind sie tolerant. Der Witz ist nur eine Nische. Er hat Ventilfunktion. Er stellt also nichts Beunruhigendes dar.

Ein erzählter Türkenwitz ist also ein Stück Normalität ...

Es kommt drauf an. Wer Vorurteile hat, bei dem können durch den ethnischen Witz diese Vorurteile noch verstärkt werden. Ein Skinhead, der Türkenwitze erzählt, wird auch „Türkenklatschen“, wenn man ihn läßt. Aber ein integrierter Bürger, der keinen Haß hat, der keine Affekte hat gegen andere Gruppen, der wird den Witz als eine Art von Nische halten, in der er sich bewegen kann. Allerdings mit ein bißchen schlechtem Gewissen.

Sehen Sie bei ethnischen Witzen nicht die Gefahr, daß das Klima zwischen der Gesellschaftsmehrheit und der Gesellschaftsminderheit verschlechtert werden könnte?

Nicht unbedingt. Der Humor kann auch dazu dienen, etablierte soziale Hierarchien in Frage zu stellen. Das gilt auch im ethnischen Witz, daß unterdrückte Minderheiten nicht diskriminieren, sondern gewissermaßen rekriminieren. Mit dem umgedrehten Spieß nun auf diejenigen losgehen, die sie bis dahin unterdrückt und diskriminiert haben.

Können Sie dazu ein Beispiel nennen?

Unmittelbar nach der Wende hat man nur Ossiwitze gehört. Witze, die die Überlegenheit der Wessis gegenüber den Ossis ausdrückten. Aber es gibt nun die Wessiwitze, und die sind eine Waffe der Schwachen.

Vor kurzem hatte der Entertainer Harald Schmidt Polenwitze als Running Gag in seine Late Night Show eingebaut. Dafür ist ihm „politische Inkorrektheit“ vorgeworfen worden. Was denken Sie darüber?

Aufgrund unserer Vergangenheit finde ich es ganz verfehlt, Polenwitze in der Öffentlichkeit zu erzählen. Aber nicht nur wegen der Vergangenheit sollte man diese Art von rüden und menschenverachtenden Witzen sein lassen. Political Correctness wird bei uns immer so ein bißchen verteufelt als etwas Abstruses, was die Initiative und den Geist lähmt. Political Correctness dient aber meiner Ansicht nach dazu, das gesellschaftliche Klima zu verbessern und mit diesen rüden Formen Schluß zu machen. Interview: Mustafa Kaplan

Professor Gert Raeithel ist Autor des Buches „Der ethnische Witz am Beispiel Nordamerikas“. Das Buch erschien 1996 im Eichborn-Verlag.