■ Endlose Geschichte: Waigel und die Maastricht-Kriterien
: Der Tanz um die magische Drei

Drei ist drei. Oder so ähnlich. Gebannt hängen Journalisten seit Monaten an Theo Waigels Lippen. Ist drei wirklich drei? Drei Komma null gar? Oder aber vielleicht 3,2? Nein, „drei ist nicht drei Prozent plus x“, so hat der Finanzminister am Wochenende alle Zweifel ausgeräumt. „Drei ist drei Komma null.“

Die Schicksalsfrage der Nation scheint hinter dem Komma entschieden worden zu sein. Die Neuverschuldung der Kandidaten für die europäische Währungsunion darf also nicht mehr als 3,0 Prozent, gemessen am Bruttoinlandprodukt, betragen.

Zugleich rechnen jedoch die sechs führenden Wirtschaftsinstitute damit, daß das deutsche Defizit im Stichjahr 1997 bei 3,2 des Bruttoinlandprodukts liegen werde. Will Waigel also durch sein stures Festhalten an den drei Komma null den Euro kippen? Denn ohne BRD keine EWU, das ist klar.

Nichts dergleichen. Waigel hat den Maastricht- Vertrag gelesen. Die Drei-Prozent-Grenze ist lediglich in einem Zusatzprotokoll vermerkt. Im Haupttext des Vertrags aber steht, daß ein höheres Defizit hinnehmbar ist, wenn es rückläufig ist und sich dem Referenzwert nähert. Dieser Referenzwert kann dann gerne als drei Komma null definiert werden.

Warum dann dieser Waigelsche Zahlenfetischismus? Ganz einfach: Der Euro wird so hart wie die Mark, das ist das einzige Signal, das die Deutschen hören wollen. Nach außen, in Brüssel, betreibt der kluge Finanzminister eine ganz andere Politik. Natürlich weiß er, daß die Währungsunion ohne die deutsche Teilnahme gescheitert wäre, und entsprechend vorsichtig wird er da mit den Formulierungen. Was die Gesamtverschuldung anbelangt, wo die Bundesrepublik mit Sicherheit die vorgeschriebene 60-Prozent- Marke im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt überschreitet, wurde Waigel auch schon weich. Hier führte er gegenüber seinen europäischen Amtskollegen die außerordentlichen Belastungen durch die Kosten der Einheit an.

Der Tanz um die magische Drei hat aber noch einen anderen Vorteil für die Bonner Regierenden: So werden nämlich sämtliche anderen Fragen im Zusammenhang mit der Union verdrängt. Diskussionen über Sozialstandards und Beschäftigunspolitik in der Union finden auf diese Weise ebenso wenig statt wie um eine Demokratisierung der EU-Strukturen, die mit einer Wirtschafts- und Währungsunion einhergehen müßten. Nicola Liebert