Mobutu schwimmen die Felle davon

■ Nach erfolgreichem Generalstreik in Zaires Hauptstadt Kinshasa ruft die Opposition unter Etienne Tshisekedi zu Massenprotesten auf. Sie fordert damit nicht nur Staatschef Mobutu heraus, sondern auch Rebellenchef Kabila

Berlin (taz) – In Zaires Hauptstadt Kinshasa hat der Kampf um die Macht begonnen. Nachdem ein Aufruf der Opposition zum Generalstreik gestern weitgehend befolgt wurde, wollen die Gegner von Präsident Mobutu Sese Seko heute mit Massendemonstrationen das Regime weiter herausfordern. Geplant sind Aufmärsche streikender Schüler und Studenten sowie ein Autokorso. Die vergangene Woche von Mobutu eingesetzte Militärregierung unter General Likulia hat bereits angekündigt, das unter dem Ausnahmezustand geltende Demonstrationsverbot durchsetzen zu wollen. Eine Teilnahme an den Demonstrationen liege „nicht im Interesse der Bevölkerung“, warnte sie.

In der Fünf-Millionen-Metropole Kinshasa war das öffentliche Leben gestern fast völlig lahmgelegt. Wie der taz telefonisch berichtet wurde, waren Läden, Firmenbüros und Schulen geschlossen. Busse und Sammeltaxis fuhren nicht. Die Menschen blieben in ihren Stadtvierteln. Erst am Abend sollte den Berichten zufolge der Verkehr langsam wiederaufgenommen werden. An einigen Stellen errichteten Gruppen von Jugendlichen Barrikaden aus brennenden Autoreifen und bewarfen die wenigen zirkulierenden Fahrzeuge mit Steinen. Zu der sogenannten Aktion Geisterstadt hatte unter anderem die Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt (UDPS) aufgerufen, deren Führer Etienne Tshisekedi am vergangenen Mittwoch nach einer Woche Amtszeit vom Posten des Premierministers entlassen und unter Hausarrest gestellt worden war.

Zu Zwischenfällen kam es, als Soldaten auf eine Versammlung von Jugendlichen vor Tshisekedis Haus feuerten. Einzelheiten über mögliche Opfer waren nicht zu erfahren. Ansonsten war von der Armee nicht viel zu sehen. Da die verschiedenen Viertel Kinshasas sich über mehrere Dutzend Kilometer hinziehen, zwang der Ausstand der Bus- und Taxifahrer nämlich auch viele Soldaten dazu, zu Hause zu bleiben. Damit war die Ankündigung des Vizeinnenministers Lumuna Ndubu, mit einer verstärkten Militärpräsenz in Kinshasa den Streik zum Scheitern zu bringen, von Anfang an gegenstandslos. Die Opposition sieht darin einen Sieg über Mobutu und meint, viele Soldaten hätten sich freiwillig dem Streik angeschlossen.

„Es war ein voller Erfolg“, sagte Mukendi wa Mulumba, ein enger Berater Tshisekedis, über den Generalstreik gegenüber der taz. „Der Druck wird so lange andauern, bis Mobutu abtritt.“ Ein anderer Oppositionsaktivist erklärte, es werde jeden Tag unterschiedliche Protestformen geben. Ein Generalstreik könne nicht länger als einen Tag lang aufrechterhalten werden, da die verarmte Bevölkerung Kinshasas das nicht verkraften würde.

Die Aktionen der Tshisekedi-Anhänger finden statt, während sich Vortrupps der Rebellenbewegung Allianz demokratischer Kräfte für die Befreiung von Kongo/Ex-Zaire (AFDL) der Hauptstadt bis auf 250 Kilometer genähert haben. Nachdem die Rebellen gestern die Einnahme von Kananga bestätigten, Hauptstadt der Provinz Westkasai, kontrollieren sie inzwischen sieben der elf Provinzen Zaires. Mit den Protesten in Kinshasa geht die von der UDPS geführte Opposition daher nicht nur auf direkten Konfrontationskurs gegen Mobutu, sondern sie tritt auch in einen Wettlauf mit der AFDL um die kommende Machtübernahme in Kinshasa. UDPS-Führer Etienne Tshisekedi und AFDL-Führer Laurent-Désiré Kabila erscheinen als Hauptrivalen für die Führung eines von Mobutu befreiten Zaire. Dominic Johnson/Daniel Stroux