SWR fertig zum Andocken

■ Ab 1998 soll im Südwesten der neue Südwestrundfunk senden. Beck und Teufel paraphierten schon den Vertrag

Mannheim (taz) – So schnell kann Rundfunkpolitik manchmal sein: Am Sonntag fordert MDR- Chef Udo Reiter zur allgemeinen Empörung weniger ARD-Anstalten. Seit gestern ist klar: Es sind bald nur noch zehn statt elf. Wenn alles glattgeht und die Landtage zustimmen, sendet schon im nächsten Jahr in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg der neue Südwestrundfunk. Völlig überraschend paraphierten die Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) und Erwin Teufel (CDU) gestern schon den Staatsvertrag über den neuen Sender. Der neue SWR, so steht's in dem 37seitigen Papier, soll am 1. Januar 1998 gegründet werden. Senden soll er freilich erst im Oktober. Dann werden SWF und SDR aufgelöst.

Der neue SWR könnte die Verhältnisse in der ARD ein wenig durcheinanderwirbeln. Mit einem Gebührenanteil von 1,6 Milliarden Mark und 4.200 Beschäftigten wird er nach dem WDR der zweitgrößte in der ARD sein, wo unter den Großsendern (WDR, BR, NDR, MDR) bislang ein ausgeklügeltes Einfluß- und Intrigensystem herrscht. Mit dem Eifer von Udo Reiter hat die Fusion unmittelbar nichts zu tun. Eher schon suchen Beck und Teufel nach Möglichkeiten, ihre Länder an der allgemeinen Medienstandort-Euphorie zu beteiligen. Da macht es sich gut, einen Sender zu haben, der über ein mächtiges Wort in der ARD mitreden kann. Was das Reformpotential der Fusion betrifft, hielten sich die Regierungschefs denn auch lieber bedeckt. Beck sagte aber, nun müßten „andere ebenfalls ihre Reformfähigkeit unter Beweis stellen“. Mehrmals hatte er HR und dem gefährdeten SR angeboten, sie könnten an den neuen Sender „andocken“.

Während der nur sechsmonatigen Verhandlungen zwischen den Ministerpräsidenten waren vor allem die sogenannten Sitzfragen umstritten. Schließlich mußten gleich drei Städte mit Posten und Planstellen versorgt werden: Stuttgart (SDR-Sitz), Baden-Baden (SWF-Sitz) und Mainz (Becks Sitz). Nun kommt die Intendanz wie erwartet nach Stuttgart, Baden-Baden bekommt die Hörfunk- und die Fernsehdirektion. So bleiben von den 1.530 Stuttgarter Arbeitsplätzen etwa 1.430 erhalten, Baden-Baden behält seine 1.570 Stellen. Damit Mainz nicht leer ausgeht, hat man sich neben dem Justitiariat in der Stadt noch eine besondere Konstruktion ausgedacht. Unter dem Dach des SWR wird es zwei Landessender geben, in Mainz (ebenso in Stuttgart) einen mit viel Macht ausgestatteten Landesfunkhausdirektor. Dazu: 130 Stellen. Damit hat der SWR vorerst nicht weniger Personal als SDR und SWF zusammen.

Eher ungewöhnlich: Auch über die Programme haben Beck und Teufel schon das meiste festgelegt. Das 3. TV-Programm soll stark regionalisiert werden (zu 30 Prozent), das gemeinsame Kulturradio S 2 wird beibehalten, ebenso die Landeswellen S 1/SDR 1. Das geliebte Jugendradio SDR 3 wird dagegen verschwinden und einer gemeinsamen Popwelle weichen, für die die Stuttgarter Radioinnovatoren lokale Einsprengsel produzieren. SWR-Intendant wird vermutlich SWF-Chef Peter Voß.

Mit dem SWR wird das Kuriosum eines Anderthalbländersenders (SWF) und eines Halbländersenders (SDR) in zwei Ländern beseitigt, das noch aus der Besatzungszeit rührt. „Besatzung beendet“ wurde gestern vermeldet. Lutz Meier