In Stein gemeißeltes System

■ Henry Rollins höhlt weiter die alte Kerbe humorloser Energie aus

„Ach, Henry Rollins“, mochte der feinfühlige Mensch vor wenigen Jahren zu Recht denken, „geh' doch nach Hause.“Damals, Computer und Plattenspieler hatten sich als Musikinstrumente noch nicht vollständig durchgesetzt, war der stiernackige Mann aus Kalifornien in der Tat omnipräsent. Hardcore waren die Musik, die Sprache, die Philosophie.

Wer auch immer am musikalisch oder genreübergreifend subkulturellen Geschehen interessiert war, wurde von dem manischen Produzenten aus allen Richtungen mit harten Brocken beworfen. Alleine zehn Bücher hat Henry Rollins in den letzten zehn Jahren veröffentlicht, acht Spoken Word-Platten und ebensoviele Tonträger mit der Rollins Band. Doch im Gegensatz zu den meisten anderen Künstlern der Popkultur entwarf dieser große Output kein buntes, assoziatives Gemälde, sondern beschränkte sich auf ein beständiges Aushöhlen der ewig gleichen Kerbe aus humorloser Energie. Denn Henry ist nicht Pop und betreibt seine Kunst nicht zum Spaß. Seine Motivation ist, wie er nicht müde wird zu betonen, Läuterung, Katharsis, Urschreitherapie.

Und doch scheint dieses in Stein gemeißelte System jetzt vorsichtig geöffnet. Da wären zum einen ein zusammen mit dem Produzentenguru Rick Rubin gegründetes Label, auf dem sich Rollins um die Wiederveröffentlichung großer Platten von James Chance, Gang Of Four oder Alan Vega kümmert, zum anderen ein beinahe grotesk anmutendes Techtelmechtel mit dem großen Hollywood-Kino. So begegnen wir Rollins in Johnn Mnemonic, Heat und jetzt in David Lynchs neuem Werk Lost Highway, wo er als wandelndes Klischee die Halsmuskulatur anspannen darf.

Auch sein frischer Plattenvertrag mit dem neugegründeten Label von Steven Spielberg zeigt, daß er wenig Berührungsängste mit dem Mainstream hat. Wahrscheinlich treibt ihn dabei immer noch die von unstillbarem Profilierungsdrang genährte, längst absurde Vorstellung, daß eine kompromißlose Aussage möglichst vielen Leuten präsentiert werden muß – und dabei nicht verliert.

Im aktuellen Fall ist dies ein Tonträger namens Come In And Burn, der musikalisch/textlich immer noch im eigenen kraftmeiernden Saft schmort, dem etablierten System aber keine Nuance hinzufügt. Im Gegenteil: Rollins bläst wieder zur Attacke, doch die Luft geht ihm langsam aus. Und deswegen hat der anfängliche Wunsch auch immer noch Gültigkeit: „Entspann' dich, fördere andere Menschen und nimm dir endlich den angekündigten Job im Gemüseladen, der am Ende deiner Töne und Worte auf dich wartet.“Holger in't Veld

Di, 22. April, 20 Uhr, Docks