In der Pose des narzißtischen Womanizers

■ Der Songwriter Tilman Rossmy verwechselt wieder einmal Schlichtes mit Einfachem

Richtig gefreut habe ich mich, als sich die Regierung, Tilman Ross-mys letzte Band, aufgelöst hat. Denn es war zu hoffen, daß ihre 500 verkauften Platten nicht mehr von irregeleiteten Musikjournalisten, die Pop mit halbgaren Weisheiten verwechseln, als Offenbarung offeriert werden. Fragte man dann ungläubig nach, hieß es, daß man den Hamburger Songwriter nicht verstehe, weil man eben zu jung sei. Oder so. Die Regierung war offenbar bis zu ihrer Auflösung eine Sache des Alters oder des Glaubens.

Doch damit war's leider nicht genug. Rossmy machte einfach weiter Platten. Zuletzt Willkommen zu Hause und nur ein Jahr später Selbst, die er diesen Samstag vorstellt. Produziert wurden die neuen Balladen der „Supermusikband“nicht vom sich irgendwie seelenverwandt gebärdenden Bernd Begemann, sondern Folke Jensen (Ledernacken) arrangierte gefällig. Dennoch wirkt Selbst an allen Ecken und Enden wie ein Schnellschuß, unfertig und halbgar. Ein Jahr schien für Rossmy zuwenig an Bedenkzeit, und selbst Fans führen die Veröffentlichung auf Kameraderien unter den Musikschaffenden zurück.

Entsprechend dem privaten Ton, den Rossmy anschlägt, reagierte auch die Presse persönlich. Die Hamburger Morgenpost sieht in Rossmys schlichter Liebeslyrik den gelungenen Gegenentwurf zur Diskurs- und Ichmaschine der Hamburger Schule. „Ich bin nicht mehr so traurig“statt „Ich will Teil einer Jugendbewegung sein“. Laut Spex, wo man immerhin „hausgemachten Naturalismus“attestierte, sollte alle Welt dem trauernden Barden im Karmers tröstend auf die Schulter klopfen.

Dabei ist Selbst noch stärker in der Pose des narzißtischen Womanizers erstarrt als die bisherigen Veröffentlichungen von Rossmy, der auf dem Cover im lässigen Hemd auf seine Faust blickt. Doch von Kraft und Selbsthaß kann keine Rede sein. Satt dessen löst Rossmys Selbstgefälligkeit bei unvorbereiteten Hörern Aggressivität aus, und schnell hängt der Haussegen der WG schief. Das liegt vor allem an seinem Tonfall. Denn Rossmy betont seine Worte so, als ob er mit vorgeschobenem Unterkiefer singen würde.

Und es sind Worte von großer Schlichtheit. Textzeilen, die von einer Maria handeln und von einer anderen Frau, die zuviel von Wittgenstein versteht, und wieder einer anderen mit Licht in den Augen. Und dazu Merksätze wie „Liebe macht viel Arbeit“. Potzblitz. Warum wird Rossmy, nur weil er die besseren Klamotten trägt und in den richtigen Kneipen steht, nicht zu den Bösen gezählt? Das ist mir völlig schleierhaft.

Volker Marquardt

Sa, 19. April, 21 Uhr, Logo