Beantragte Fördersumme: null Mark

■ Hungerkünstler der Kultur: Garn-Theater muß Kafka mit leerem Magen spielen

Natürlich ist es nicht gerecht, wenn David hungert, auch Goliath weniger zu essen zu geben; und trotzdem: Die Zahlen, die am Montag Kultursenator Peter Radunski betreffs der Zuschüsse für das Theater des Westens, das Metropol-Theater und den Friedrichstadtpalast nannte, wirken angesichts der finanziellen Dauernotlage, mit der sich manches kleine Theater in Berlin rumschlägt, grotesk.

Es sollen, so der Kultursenator, die bisherigen Zuschüsse für die „leichte Muse“ von rund 73 Millionen auf 50 Millionen Mark gekürzt werden. Die Intendanten sind empört. O-Ton René Kollo, Metropol-Theater: „Ich kann nicht mit Kleckergeschichten mein Haus füllen. Qualität kostet auch etwas.“

Beispiel Garn-Theater. In dem kleinen Kellertheater in der Katzbachstraße in Kreuzberg erweckt Adolfo Assor seit nunmehr fast zehn Jahren die skurrilsten Figuren der Literatur zum Leben.

Da berichtet Kafkas Affe von seiner Menschwerdung, Dostojewskis lächerlicher Mensch tritt hier seine phantastische Reise an, und Daniel Charms' Wundertäter vollbringt auch in diesem schwarzgestrichenen Keller keine Wunder. Das Ganze vollzieht sich im Winter bei empfindlicher Kälte und immer unter dem difussen Licht der aus Ofenrohren zusammengebauten Scheinwerfer. Was sich nach amateurhafter Improvisation anhört, entsteht unter den (leeren) Händen eines der professionellsten Schauspieler Berlins.

Seit über 40 Jahren steht Adolfo Assor auf der Bühne. Aus Chile stammend, wo er einmal zum beliebtesten Schauspieler des Jahres gewählt wurde, steht er momentan achtmal in der Woche auf der Bühne. Geld, sein Theater besser zu bewerben, hat er nicht. So stellte er ebenfalls Förderanträge, insgesamt drei. Weil die beiden ersten abgelehnt wurden, bemühte er sich im dritten Antrag um Zuschüsse für die Inszenierung des „Hungerkünstlers“ von Kafka, da ein Hungerkünstler ja bekanntlich nicht viel braucht. Beantragte Summe: null (!) DM. Aber auch das war dem Senat scheinbar noch zu vermessen; der Antrag wurde flugs abgelehnt.

Und bis die Kulturschaffenden endlich eingesehen haben, daß es viel schwieriger ist, die leichte Muse zu realisieren als die sogenannte klassische Kultur, kann man ja zur Überbrückung doch noch einmal das Garn-Theater besuchen. Heute abend zum Beispiel, wenn Kafkas Affe wieder durch die Gänge des Keller-Theaters schleicht. Ephraim Broschkowski/Sinnflut