Tortur am Zahnfleisch (TAZ)

Das tägliche Elend mit der Zahnspange: Zwischen blöden Bemerkungen, mitleidigen Blicken sowie dem festen Wunsch, den Mund nicht aufzumachen  ■ Von Kathrin Scherer

Ich im fernsehstudio. Die kamera glotzt mich rotglühend an... ich muß jetzt was sagen... angstschweiß... zittern... die kamera glotzt weiter... ich krieg' den mund nicht auf... HILFE!! Aufwachen, ein alptraum, nur ein alptraum. Beim gähnen merke ich, daß meine zunge verrückt spielt, sie ist ganz wundgescheuert. Mist, dieses blöde teil! Hätt' ich doch nur nein gesagt, jetzt ist es drin und geht nicht mehr raus. Sitzt fest und kneift. Mist!

Und dabei ist der traum ja gar nicht soo schlimm gewesen. Gestern im englischunterricht, ich sollte nur ein paar zeilen vorlesen, hab ich doch das vermaledeite th nicht hingekriegt, hab's dreimal probiert, ich spucke kleine tropfen auf mein heft, alles gluckst, der lehrer läuft rot an, ich klappe den mund zu und sage gar nichts mehr. Basta.

In der pause erzählt mir jemand einen superwitz, ich könnte mich ausschütten vor lachen, wenn ich nur den mund aufmachen könnte. Da ich aber nicht will, schüttelt es mich fast bis zum umfallen, worüber die anderen um so mehr lachen, und lachen steckt ja bekanntlich an. Es zerreißt mich fast, aber ich bleibe standhaft und mein mund zu.

Oder am samstag auf der party. Endlich mit ihm allein auf der couch im keller sitzen und flirten. Es ist ziemlich dunkel, vielleicht sieht er das ding ja nicht. Weia, er rückt immer näher, er wird doch nicht... Da kommt er nich ran. Da bin ich eisern. Mein mund bleibt zu. Und nach zwei minuten sitze ich alleine auf der couch im keller und fluche leise lispelnd vor mich hin.

Muß das so sein? Daß sich beim essen immer etwas festklemmt? Daß die zahnbürste sich festhakt und nur durch heftiges zerren wieder frei wird? Dieser widerliche geschmack im mund am morgen? Muß das sein? Und dann diese mitleidigen blicke... und diese blöden bemerkungen. Und dabei geht es mir ja noch gut.

Valencia aus meiner klasse hat man noch schlimmer verunstaltet, der haben sie so ein folterteil verpaßt, das von hinter den ohren rund um die backen direkt in die mundwinkel sägt. Ätzend. Sie sieht jetzt aus wie... na ja, geht auch vorbei. Schönheit muß leiden, hat der zahnarzt gesagt und gegrinst, als er die schrauben an meiner zahnspange angezogen hat. Und jetzt muß ich alle paar tage wieder hin zur kontrolle. Und dann grinst er wieder, der folterknecht.

Zum glück bin ich ja nicht die einzige, sondern wir sind 'ne ganze menge. Wir sollten einen verein aufmachen oder sogar 'ne partei gründen oder eine gewerkschaft: „IG Zahn-Metall“ oder „Die Silbernen“.

Wir könnten uns aber auch eine zeitung machen, titel könnte sein: TAZ... Hä? Na klar doch: „Tortur Am Zahnfleisch“, oder weiß wer was besseres?