Contra Nationalismus

■ Junge Franzosen wandten sich vor kurzem in einem offenen Brief an die WählerInnen der Front National unter Le Pen

Berlin (taz) – Hinter der Partei, die Lösungen für die Probleme der Franzosen verspricht, versteckt sich, so diskutierte man bereits offen, ein Hitler des bevorstehenden Jahrhunderts.

Zu ähnlich erscheinen die Zielsetzungen Jean-Marie Le Pens, aber auch die Maßnahmen in jenen vier französischen Provinzen, wo die Front National seit 1995 die Bürgermeister stellt. Die Kulturpolitik Toulons zum Beispiel bekam den rechten Wind zu spüren: Äußerungen gegen die Front National kosteten den dortigen Intendanten seine Stelle.

In einem offenen Brief wandten sich junge Franzosen am 31.März an gleichaltrige Wähler und unterstützten so die Demonstrationen linker und liberaler Gruppen in Straßburg, wo ein Parteitag der FN stattfinden sollte.

„Schweigen ist Gehorchen. Das ist der Grund, weshalb ich schreibe. Sage stets, was du denkst, denn denken heißt, nicht länger Sklave, ja, es heißt, frei zu sein. Es ist traurig und gefährlich für junge Menschen, nicht nachzudenken. Deine Jugend ist deine Kraft, deine Kraft ist deine Jugend! Sei jung ... nicht dumm!“

Ein Appell an jene, die sich von den wohlklingenden Worten Le Pens einlullen lassen und an eine schnelle Problemlösung glauben. Arbeitslosigkeit, Aids und Haß seien schwerwiegende Probleme unserer Generation, argumentiert Mĺissa Nachtigal: „Wenn alles schief läuft, ist das zwangsläufig die Schuld der anderen, derer, die unser Land regieren. Doch die sagen: Nein, der Grund sind die ökonomischen Zusammenhänge, der Sozialismus, der Kapitalismus und das neue Europa ... Zu einfach! Die wahren Schuldigen sind doch die Ausländer, die Immigranten, die dir dein Geld wegnehmen ... Zu einfach? Sollte die Lösung tatsächlich nur in der Ausweisung der Immigranten bestehen?“

Der nationalistische Unterton Le Pens, der in Äußerungen wie „die mentale Krankheit der regierenden Klasse“ oder „die Bakterien der Weltoffenheit“ deutlich wird, bewegte zu folgenden Worten: „Man sagt: La France aux Français. Du sollst Frankreich lieben, und auch ich liebe es, doch in einer anderen Weise. Seine Landschaften, seine Offenheit, seinen asylgebenden Boden mit seinen buntgemischten Düften.“

Der Parteitag der Front National hat die Gegenstimmen aktiviert, obwohl er doch in erster Linie die Le-Pen-Anhänger zu den Legislativ- und Regionalwahlen im Jahre 1998 motivieren sollte. Wie weit sein Atem reicht und seine Propaganda verbreitet werden kann, steht in Frage. Die Gegenargumente sind stark. „Die Demokratie, ja, die Demokratie ist unser einziger Ausweg, sonst bleibt nur das Chaos. Das Gefühl des Vertrauens auf Freiheit ist unser kostbarstes Gut.“

Jördis Heer