Nachspiel zu den Protesten gegen Le Pen

■ Heute stehen in Frankreich zwei deutsche Demonstranten vor Gericht

Paris (taz) – Es war eine fête – ein Familientreffen des republikanischen Frankreich, das seine eigene Kraft wiederentdeckte. Menschen fast aller politischen und religiösen Orientierungen waren gekommen. Aus dem benachbarten Deutschland reisten Gewerkschafter und Antifas an. Am Abend des Ostersamstag, der Straßburg die größte Demonstration seiner Nachkriegsgeschichte und Frankreich die bislang stärkste gegen die rechtsextreme Front National beschert hatte, zogen die von dem Erfolg überraschten Organisatoren eine euphorische Bilanz. Die Randale, die viele Stunden später in den Gassen der elsässischen Hauptstadt ausbrach, übernahm die Justiz.

Das vorerst letzte Kapitel des juristischen Nachspiels läuft heute vor einem Straßburger Gericht. Zwei junge Deutsche, der Berliner Geschichtsstudent Götz Kaufmann und der Nürnberger Schreiner Lars Janiesch, müssen sich dort wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, wegen versuchten Diebstahls und mutwilliger Zerstörung verantworten. Einem von ihnen wird zur Last gelegt, eine Tasche voller Steine dabei gehabt zu haben. Den beiden, die seit dem 29.März in Untersuchungshaft sitzen und sämtliche Vorwürfe bestreiten, drohen mehrmonatige Gefängnisstrafen.

Bereits am Dienstag nach Ostern hatte die Straßburger Justiz 13 junge Franzosen, die in der Nacht nach der Demonstration festgenommen worden waren, wegen „gewalttätiger Ausschreitungen“ im Schnellverfahren zu drakonischen Strafen zwischen einem und acht Monaten Gefängnis, teils zur Bewährung, verurteilt. Die meisten Angeklagten hatten ihre Pflichtverteidiger nur eine halbe Stunde vor dem Verfahren getroffen.

Nur Kaufmann und Janiesch – die von einem deutschen und einem französischen Anwalt verteidigt werden – erwirkten eine Aufschiebung ihres Verfahrens, um sich vorbereiten zu können.

Die Randale nach der Großdemonstration – ein verbranntes Auto, eingeschlagene Schaufensterscheiben, unter anderem in der Boutique „Pourquoi pas“, und geplünderte Auslagen – fand in Frankreich ein durchgängig negatives Echo. Lediglich die Front National, die bereits Tage zuvor vor den angeblich sicher bevorstehenden Ausschreitungen gewarnt hatte, fühlte sich bestätigt. „Internationale Sozialisten aus Deutschland, Kinder von Nationalsozialisten, werden erneut in Frankreich einmarschieren“, hatten rechtsextreme Spitzenpolitiker prophylaktisch gewarnt. „Da waren Verbrecher auf der Straße“, triumphierten ihre Redner am Morgen nach der Demonstration auf dem 10. Parteitag der Front National im Straßburger Kongreßzentrum.

Augenzeugen der nächtlichen Randale, die während eines Popkonzertes auf dem Kleber-Platz begann, sind davon überzeugt, daß die Randalierer Provokateure der Front National waren. Sie beschreiben Auseinandersetzungen zwischen mit PLO-Tüchern vermummten jungen Leuten und der Polizei, die Straßburg an diesem Osterwochenende fest im Griff hatte. Die Festnahmen waren „willkürlich und zufällig“, erinnern sich Beobachter.

Die beiden deutschen Angeklagten waren zu einer friedlichen Demonstration gegen den europäischen Faschismus nach Straßburg gereist, und nicht, um „unpolitische Straftaten“ zu begehen, erklären ihre Unterstützer in Deutschland. Beweise gegen sie gibt es nicht, heißt es aus dem Büro ihres Straßburger Anwalts Raphael Nisand. Freunde der Angeklagten hegen Zweifel an der „Objektivität der mit dem Verfahren betrauten Richter“, die sie dem „Umfeld der Front National“ zurechnen. Dorothea Hahn