Am Boden, nicht erhobenen Hauptes

■ Couragierter HSV scheidet im Pokal-Halbfinale beim VfB Stuttgart unglücklich mit 1:2 aus

„Wir waren der klare Außenseiter und hatten nichts zu verlieren“, sagte Felix Magath mit leiser, stockender Stimme, „die Mannschaft hat sich toll verkauft und kann das Stadion erhobenen Hauptes verlassen.“Tat sie aber nicht, dafür war die Enttäuschung nach dem Spiel doch zu groß.

Hasan Salihamidzic rannte heulend vom Rasen, während Masseur Hermann Rieger die am Boden liegenden HSV-Spieler tröstete. Allein Stefan Schnoor lief geradewegs zur Fankurve und verehrte den 2000 mitgereisten Getreuen sein verschwitztes Trikot.

„Wir haben nicht nur mitgespielt, wir waren manchmal sogar überlegen und hatten gute Chancen“, bemühte sich HSV-Übungsleiter Magath um Fassung. Stimmt. Kein Widerspruch vom siegreichen Kollegen Joachim Löw, der mit Sakko und kleinkariertem Hemd immer noch wie ein fehlplazierter Gemeinschaftskunde-Lehrer wirkt. Da waren beim HSV Ansätze von Spielkultur zu sehen, da spielte die Notelf Pressing wie weiland bei Ernst Happel selig. Nur fehlte ein Kopfball-Ungeheuer, das die erspielten Chancen auch im Kasten unterbrachte. Stürmertalent Salihamidzic war – noch – überfordert.

Doch die hochgejubelte Stuttgarter Tormaschinerie war in diesem Punkt ja strenggenommen auch nicht besser. Fielen doch alle Treffer nach Standardsituationen. Das „Magische Dreieck“, Krassimir Balakow einmal ausgenommen, zauberte nur für die Galerie. Auch ein Verdienst der HSV-Abwehr, die dummerweise zweimal folgenschwer patzte. Bei den Gegentoren war Keeper Richard Golz nicht eben schulmäßig im Fünfmeter-Raum unterwegs: „Leider war ich zu spät.“Doch anders als beim Ausrutscher gegen St. Pauli war er nicht der Buhmann, sondern wurde von den eigenen Fans gefeiert.

Was lernen wir also aus dem Pokal-K.-o.? Einmal, daß der HSV noch Fußball spielen kann. Das ist erfreulich, kommt aber vielleicht etwas zu spät, obwohl es noch „sieben Endspiele“sind, wie Uwe Seeler errechnet hat. Zum anderen daß der bekennende Happel-Schüler Felix Magath auch ein Mensch ist. Der sonst stets coole Diktator sprang tatsächlich während der Partie von seiner Bank auf, sogar zweimal. Und dann passierte etwas, das noch unglaublicher war: Felix Magath zeigte Emotionen.

Mühsam suchte er vor der versammelten Medienmeute nach Worten, während er am Joghurt-Vierer-Pack des VfB-Sponsors herumfingerte. Und rang mit den Tränen. Erst nach Ende der offiziellen Pressekonferenz gelang ihm sein überlegenes Lächeln wieder einigermaßen, aufgebaut von der wohlgesonnen Hamburger Journaille.

„Ich hoffe, die Mannschaft kann sich an dieser Leistung hochziehen“, sagte der in der Niederlage gewachsene Trainer. Die allerletzte Hintertür ins internationale Geschäft heißt nun UI-Cup. Doch auch der – und nicht zu vergessen der Klassenerhalt – will erst einmal erreicht sein. Etwas Gutes hat das Pokal-Aus auf jeden Fall: Vom „Kaiserlautern-Effekt“, also Pokalsieg und gleichzeitig Abstieg, kann keiner mehr reden. Rainer Glitz

HSV – Schalke 04: morgen um 15.30 Uhr, Volksparkstadion Siehe auch Leibesübungen!

VfB: Wohlfahrt – Schneider, Verlaat, Haber – Hagner, Soldo (78. Schwarz), Poschner, Balakow, Fournier – Bobic, Elber (90. Gilewicz) HSV: Golz – Hartmann – Fischer, Wojtala – Schopp (78. Seitz), Homp (58. Cardoso), Kmetsch, Schnoor, Salihamidzic – Ivanauskas, Saganowski (46. Breitenreiter) SR: Dardenne (Nettersheim) – Z.: 50.000 Tore: 1:0 Balakow (15.), 1:1 Hartmann (19.), 2:1 Schneider (59.) Gelb-Rote Karte: Ivanauskas (86., HSV) wegen wiederholten Foulspiels Rote Karte: Schneider (90., VfB) wegen groben Foulspiels