Alle wollen nur das Beste für Hoppegarten

Sportstadt Berlin (Teil 8): Am Sonntag beginnt auf der Galopprennbahn Hoppegarten die Saison. Der Union-Klub wartet mit Ungeduld auf den Abschluß eines Erbpachtvertrages  ■ Von Werner Preiß

Bald galoppieren sie wieder. Am Sonntag beginnt in Hoppegarten eine neue Turfsaison. Die Züchter und Rennstallbesitzer, Trainer, Jockeys und das wettfreudige Publikum sind gespannt. Auch der Union-Klub, der Veranstalter der Leistungsprüfungen auf der „Parkbahn im Grünen“.

Der Klub wartet mit Ungeduld auf den Abschluß eines Erbbaurechtsvertrages über 66 Jahre. Der Antrag war fristgemäß am 30. September 1996 bei der der Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft (BVVG), einer Nachfolgerin der Treuhand, abgegeben worden, verbunden mit einem Konzept, wie die Rennbahn und ihre Nebenanlagen ohne fiskalischen Zuschuß betrieben werden kann. Seitdem wird geprüft, begutachtet, bewertet. Zweifel werden geäußert, ob das Ganze realistisch- machbar sei. Dabei schien im Sommer 96 alles klar. Im renommierten Kölner Hotel Exzelsior traf sich fast der komplette Klubvorstand mit den führenden Repräsentanten der BVVG, allen voran Jens Odewald, ehemals Vorsitzender des Verwaltungsrates der Treuhandgesellschaft, jetzt Vorsitzender des Aufsichtsrates der BVVG, und Walter Priesnitz, einst Staatssekretär im Bonner Innenministerium, nun Vorsitzender der Geschäftsführung der BVVG.

Es ging um den deutschen Galoppsport im allgemeinen und die Situation in Hoppegarten im besonderen. Die Herren waren sich einig, daß Hoppegarten für den Galoppsport erhalten und neu gestaltet werden muß. Es bestand nicht der geringste Zweifel: Nur der Union-Klub, 1867 in Berlin gegründet, seit 1874 Eigentümer dieser Rennbahn, ist berufen, den größten deutschen Turfplatz zu leiten. Ehe er möglicherweise eines Tages in alte Rechte eingesetzt werden kann, muß er in die Lage versetzt werden, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen.

Bereits seit zwei Jahren führt der Union-Klub auf der Grundlage eines Pachtvertrages über fünf Jahre wieder die Rennen in Hoppegarten durch. Das gesamte, ursprünglich 770 Hektar große Gelände war 1946 im Zuge der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone enteignet worden.

Der Klub betuchter Rennstallbesitzer, dessen Mitgliederliste einst einem Auszug aus dem deutschen Adelskalender glich, bemüht sich seit 1991 um die Rückgabe des Alteigentums. Auf direktem Wege war das durch den Einigungsvertrag nicht möglich. Die Rennbahn wurde zum Verkauf ausgeschrieben. Unter sechs Bewerbern wählte die Treuhand den Union-Klub.

Doch ein Vertrag kam nicht zustande. Das Land Brandenburg intervenierte, beanspruchte für sich das Eigentumsrecht, wollte selbst das Geschäft betreiben. Es kam zum Prozeß: Land gegen Bundesrepublik, Brandenburg verlor. Inzwischen hatte sich 1990 in Berlin ein Rennverein Hoppegarten e.V. formiert. An dessen Spitze steht der Bauunternehmer Kurt Becker, Klubmitglied seit 1971. Zu äußerst günstigen Bedingungen erhielt dieser Verein die Genehmigung, Rennen durchzuführen.

Das Direktorium für Vollblutzucht und Rennen in Köln, die Dachorganisation des deutschen Galoppsports, leistete tatkräftige Entwicklungshilfe. In diesem Gremium sind führende Klubmitglieder tonangebend. Dank dieser Unterstützung und potenter Sponsoren konnten in Hoppegarten attraktive internationale Wettbewerbe veranstaltet werden. Eine Rennbahn GmbH, Tochtergesellschaft der Treuhand, sorgte mit öffentlichen Mitteln für Unterhalt und Pflege der Anlagen, ermöglichte das Überleben. Die großen Rennvereine vor allem im Rheinland verfolgten die Entwicklung in Hoppegarten zunächst mit Sympathie, zunehmend jedoch auch mit Argwohn. Durch Einbrüche bei den Wettumsätzen, der wichtigsten Einnahmequelle aller Rennvereine, gerieten einige in große finanzielle Schwierigkeiten.

Hinter den Kulissen gingen die Verhandlungen zwischen Treuhand und Union-Klub weiter. Am 24. September 1994 wurde schließlich ein Pachtvertrag über fünf Jahre abgeschlossen, verbunden mit einer Option auf einen Erbbaurechtsvertrag. Außerdem sollte eine Stiftung gemeinsam mit dem Land Brandenburg und der Gemeinde Dahlwitz-Hoppegarten ins Leben gerufen werden als künftiger Eigentümer von Grund und Boden der Rennbahnanlagen (noch rund 410 ha). Der Union- Klub, 40 Jahre lang gezwungen ein Schattendasein zu führen, ließ wieder seine Fahne über dem Tribünendach wehen. Doch nur selten erschienen die meist schon bejahrten Mitglieder vor Ort. Von den 180 Herren wohnten keine zehn Prozent in Berlin. Nur wenige lassen ihre Rennpferde im märkischen Sand trainieren.

„Es ist schwerer, als ich dachte, aus einem Traditionsklub wieder einen aktiven Rennverein zu machen“, konstatierte Dr. Günter Paul, seit dem 2. Oktober 1996 neuer Präsident. Der Vorstand bemüht sich, Tradition, Passion und marktwirtschaftliche Erfordernisse unter einen Hut zu bringen. Das Konzept, das dem Erbbaurechtsvertrag beigefügt wurde, sieht unter anderem eine Stilllegung von zwei Trainingsbahnen und Unterpachtverträge vor, von deren Zinserlösen Unterhalt und Modernisierung der Rennbahnanlagen bezahlt werden sollen.

Mitglieder des Rennvereins Hoppegarten, seit 1995 nur noch Juniorpartner des Klubs, erhoben gegen dieses Konzept schon vor Abgabe der Papiere Einwände. Sie unterbreiteten der BVVG eigene Vorstellungen. Das wertete der Klub als Vertrauensbruch und kündigte die bestehenden Kooperationsbeziehungen. Aus Partnern wurden Konkurrenten. Der ärgste Widerstand gegen die Klubkonzeption kam von den Gemeindevertretern in Dahlwitz-Hoppegarten. Kritisiert wurden Bebauungsabsichten, die nicht in Einklang mit dem längst ausgearbeiteten Flächennutzungsplan stehen. Der Klub würde gültige Rechtsvorschriften mißachten, bemerkte Petra Winter von der Arbeitsförderungsgesellschaft Dahlwitz.

An den Einwänden der Gemeindevertreter, Denkmalpfleger und Umweltschützer wird die Vergabe des Erbbaurechtsvertrages sicherlich nicht scheitern. Doch seine Verwirklichung könnte sich verzögern und verteuern. Bis zu 64 „Träger öffentlicher Belange“ müßten von Fall zu Fall konsultiert werden, um zum Beispiel Baugenehmigungen zu erteilen. Kompromißbereitschaft ist allseits gefragt. Ursprünglich sollte der Vertrag Ende 1996 unter Dach und Fach sein. Klub-Präsident Paul äußerte sich verärgert über die „verwaltungsbürokratische Starrheit“ der BVVG. Walter Priesnitz erklärte dazu: „Wir können keinem Vertrag zustimmen, von dem wir nicht überzeugt sind. Zwar gehen wir davon aus, daß das Konzept des Klubs aufgeht. Doch wir haben es von einem Wirtschaftsprüfer nach seiner finanziellen Komponente begutachten lassen und die Landesbank Berlin gebeten, die Wirtschaftlichkeit des Gesamtkonzepts, die Chancen seiner Realisierung, zu bewerten. Der Union- Klub müßte selbst das größte Interesse an einer gewissenhaften Prüfung haben.“

Die neuralgischen Punkte des Konzepts scheinen zu sein: Kann der Klub durch Unter-Erbpachtverträge pro Jahr zwei Million Mark erwirtschaften? Sind die Baupläne realistisch und stimmen die angenommenen Preise? Die BVVG investierte in den vergangenen Jahren sechs Millionen Mark, um in Hoppegarten die Voraussetzungen für den Trainings- und Wettkampfbetrieb zu verbessern. Eine Summe, die noch weiter anwachsen könnte und die der Klub nach Vertragsabschluß zurückbezahlen muß. Ein weiterer Mangel des Konzepts: Es werden zu wenig Ideen entwickelt, wie das Hippodrom außerhalb der Renntage genutzt und vermarktet werden kann. Eine Vorentscheidung – Erbbaurechtsvertrag ja oder nein – könnte bis Ende Mai fallen. „Auch wenn die Karten neu gemischt werden müssen“, betonte Priesnitz, „werden wir die Gespräche mit dem Klub weiterführen. Hoppegarten wird dem deutschen Galoppsport erhalten bleiben.“