Kinder ohne Luft und Sonne

■ Die Finanzverwaltung will zwölf landeseigene Grundstücke auf der Havel-Insel Schwanenwerder verkaufen. Bislang konnten dort Kinder aus der Innenstadt Sommerferien in Zeltlagern machen

Auf Schwanenwerder haben Kinder, die sich in Luft und Sonne erholen wollen, künftig keine Chance mehr: Der Senat beabsichtigt, zwölf landeseigene Grundstücke auf der idyllischen Havel- Insel zu verkaufen, die derzeit von den Bezirken Tempelhof, Schöneberg und Steglitz für Kinder- und Jugenderholungsprojekte genutzt werden. Ein Grundstück sollte nach Informationen der taz bereits gestern abend veräußert werden. Nach Angaben von Frank Zimmermann, Sprecher von Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) handelt es sich dabei um eine Fläche, die in der Vergangenheit Neuköllner Kindern und Jugendlichen zur Verfügung stand. Wegen der bezirklichen Sparmaßnahmen ist der Betrieb dort bereits 1995 eingestellt worden.

Für die bündnisgrüne Schöneberger Jugendstadträtin Ulrike Herpich bedeutet die Aufgabe der Schöneberger Grundstücke eine „Katastrophe“. Der Bezirk mit wenig Grünflächen und einer zunehmenden Verslumung im Norden Schönebergs sei auf die Zehlendorfer Insel „im hohen Maße“ angewiesen. So werden in zwei Durchgängen je 150 Kinder drei Wochen lang in Zeltlager nach Schwanenwerder geschickt, um Erholung von der Stadt zu finden. Auf vielen Grundstücken gibt es Bolzplätze, Feuerstellen und Spielgeräte. Tempelhof nutzt seine Anlagen sogar ganzjährig.

Laut Zimmermann ist heute eine Begehung auf der Insel geplant, an der die Finanz- und Jugendverwaltung sowie die betroffenen Bezirke teilnehmen: „Wir wollen prüfen, wie die Grundstücke freigemacht werden können.“ In jedem Falle solle die „Freizeitnutzung“ für Kids erhalten bleiben, versichert der Sprecher. Diese könnte zukünftig jedoch auch außerhalb Berlins liegen. Für die Schöneberger Jugendstadträtin ist dieses Angebot jedoch keine Alternative. Gerade die verkehrsgünstige Anbindung und die Möglichkeit für die Kinder, abends wieder nach Hause zu fahren, mache Schwanenwerder so attraktiv.

Von dem Verkauf der Flächen, die zwischen 2.300 und 25.000 Quadratmeter groß sind, werden die betroffenen Bezirke nicht profitieren, denn sie nutzen die Grundstücke lediglich. Eine bessere Aussicht hat ausgerechnet der Bezirk, in dem die Insel liegt: Zehlendorf. Falls in diesem Jahr noch weitere Grundstücke verkauft werden, bekomme der Bezirk, so Zimmermann, in jedem Fall die Hälfte des Erlöses. Ob 1998 auch genauso verfahren werde, sei noch unklar.

Über „etwaige Interessenten und Angebote“ wollte Finanzsprecher Zimmermann gestern keine Auskunft geben. Auch über die Grundstückspreise schwieg er sich aus.

Der Neuköllner Sozialstadtrat Heinz Buschkowsky (SPD) geht jedoch davon aus, daß es Interessenten gebe, die bereit seien „Höchstsummen“ für Grundstücke auf Schwanenwerder zu zahlen: „Das sind doch reinste Leckerbissen.“ Julia Naumann