■ Aktion Sauberes Internet: Bayern klagt gegen CompuServe
: Kampf gegen das digitale Böse

Die deutsche Niederlassung der US-amerikanischen Firma CompuServe sitzt in Bayern. Das ist ihr Pech. Bayerische Staatsanwälte sind dafür bekannt, daß sie eine Kampffront bilden mit Chinas Kommunisten: Sie bekämpfen das digitale Böse im Internet – Pornographie und Dalai Lama.

Im November 1995 eröffnete die Staatsanwaltschaft beim Landgericht München I ein Ermittlungsverfahren gegen CompuServe. Jetzt ist gegen den Geschäftsführer Felix Somm Anklage erhoben worden. Vorwurf: CompuServe habe die Möglichkeit des Zugriffs auf bestimmte Internet-Newsgroups mit strafbaren Inhalten gewährt. Diese Anklage ist nicht nur absurd, sondern ein Skandal, denn die bayerischen Staatsanwälte wollen die Öffentlichkeit für dumm verkaufen. Jeder weiß, daß es mit dem Internet ist wie mit der Schwangerschaft: Ein bißchen geht nicht. Entweder man hat einen Internet-Zugang und kann dann auch die verbotene radikal lesen und Pornobildchen auf dem Monitor anhecheln, oder man kann gar nichts – wie in China.

Technisch ist es kein Problem, sich alles auf den heimischen PC zu kopieren, was illegal ist und trotzdem gefällt. Der Anbieter des Internet-Zugangs, in diesem Fall CompuServe, kann das nicht verhindern, denn technisch ist es unmöglich, zu kontrollieren, welche Daten durch den Äther rauschen. Genauso fruchtlos ist es, die giga- und terrabytegroßen flüchtigen Mengen digitaler Nachrichten in Tausenden von Diskussionsforen weltweit nach strafbaren Inhalten zu durchforsten oder gar kontrollieren zu wollen.

Was will die bayerische Staatsanwaltschaft also vom Angeklagten Somm? Nichts. Die Anklage wird wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Die Vorwürfe gegen CompuServe sind offensichtlich symbolischer Natur. Es geht um Einschüchterung. Das kennen wir aus der Drogenpolitik. Verbote nützen zwar nichts und machen die angeblich gefährdeten Jugendlichen erst richtig scharf. Was bleibt, ist das gute Gewissen, etwas gegen das Böse versucht zu haben.

Will die bayerische Landesregierung künftig allen Bürgerinnen und Bürgern selbst einen Internet-Zugang anbieten, also als Provider wie CompuServe auftreten? Schade, daß es noch nicht soweit ist. Denn dann stünde nun Ministerpräsident Stoiber unter Anklage, weil er seinen Untertanen ermöglicht hat, all den Schmuddelkram zu sehen. Burkhard Schröder

Der Autor ist Publizist und lebt in Berlin