Ein Chefankläger wird ausgehandelt

■ Die Affäre: Netanjahu soll erpresserischem Druck des Führers der Schas-Partei, Arie Deri, nachgegeben haben

Anfang Januar war der Jerusalemer Anwalt Roni Bar-on auf dem Gipfel seiner Karriere angekommen: Er wurde zum israelischen Generalstaatsanwalt ernannt. Das blieb er einen Tag. Mit seinem plötzlichen Rücktritt nach einem Sturm öffentlicher Entrüstung könnte er auch den Abstieg von Premier Netanjahu eingeleitet haben.

Niemandem war so recht klar gewesen, was den unbekannten Anwalt für den Posten qualifizierte, bis Ende Januar das israelische Fernsehen eine kaum glaubliche Geschichte enthüllte: Politische Freunde Bar-ons, darunter Rabbi Arie Deri, der Vorsitzende der religiösen Schas-Partei, sollen Netanjahu oder zumindest dessen Büro politisch erpreßt haben, um die Ernennung durchzusetzen.

Deri hatte gute Gründe, einen Vertrauensmann als Chefankläger des Landes inthronisieren zu lassen: Seit sieben Jahren hat er einen Prozeß wegen Korruption und Veruntreuung von Staatsgeldern am Hals – eine Verurteilung wäre sein politisches Ende. Und Netanjahu hatte und hat gute Gründe, es mit seinem Koalitionspartner Deri nicht zu verderben: Dessen Schas- Partei ist als drittstärkste Kraft in der Knesset unabdingbar für die Regierungsmehrheit.

Netanjahu stand vor immensen Schwierigkeiten, das Hebron-Abkommen in seinem Kabinett durchzudrücken. Der vermutlich angestrebte Deal war die Ernennung Bar-ons als Gegenleistung für die Zustimmung der Schas-Partei zum Hebron-Abkommen.

Nachdem der Skandal aufgeflogen war, fand Netanjahu starke Worte für seine Dementis: „Stinkende Lügen“ seien die Vorwürfe. Falls aber doch was an der Affäre sei, habe ihn höchstens sein Justizminister Zachi Hangbi irregeführt. Der aber konterte: „Netanjahu steckt in der Sache viel tiefer drin als ich“, und selbst Netanjahus Parteifreund, Finanzminister Dan Meridor, fürchtet, die Geschichte könnte sich „zum schlimmsten Skandal in der Geschichte Israels“ auswachsen. ci