Blaubär on Elmstreet

■ Antiseptische Gruselseife trotz veritablen Staraufgebots: der Mystery-Thriller "Geisterstunde" (So., 20.15 Uhr, RTL)

Es gibt Dinge zwischen Himmel und Mattscheibe, die leider gar nicht mysteriös sind. Zum Beispiel, daß RTL in Zeiten sozialer Ungemütlichkeit mit „Mysterythrillern“ verstärkt auf Aberglaube und Übersinnliches setzt.

Mysteriös ist allerdings höchstens die Tatsache, daß diese mysteriösen Geschichten in der Regel so mysteriös gar nicht sind. Der große RTL-Sonntagsfilm „Geisterstunde – Fahrstuhl ins Jenseits“ jedenfalls ist gerade mal so gruselig geraten wie eine Geisterbahnfahrt mit den Wiecherts von nebenan: Philip Hacker (Thomas Heinze), der widerliche und radikal ungläubige Programmchef einer Mystery- TV-Show, bleibt abends mit seiner Ex-Freundin und soeben gefeuerten Redakteurin Vanessa und dem Hausmeister Frank im Fahrstuhl stecken. Weil letzterer sich für diesen Unfall verantwortlich fühlt beziehungsweise weil er etwas im Schilde führt, erzählt er den beiden „drei wahre Begegnungen mit dem Übersinnlichen“: Von einer Schlafwandlerin, der sich in ihren Träumen die mysteriöse Vergangenheit ihres Vaters enthüllt, von einer couragierten jungen Malerin, die sich mit einem paranormalen Haustyrannen anlegt, und von dem glücklosen Comiczeichner, der sein Spiegel-Ich, das im Fahrstuhlschacht zwischen Erd- und Untergeschoß haust, bei Job- und Eheproblemen zu Hilfe bittet.

Daß dieser Thriller eben nicht „mystery“ ist, liegt hauptsächlich an seiner antiseptischen Inszenierung. Der Heilsarmeeabklatsch des Ghostbuster-Towers bei Nacht, durch die Szenerie staubende Trockennebelfetzen, schöne Menschen, die in schönen Häusern posieren wie in Schöner Wohnen – das alles ist nun nicht direkt zum Fürchten. Merkwürdigerweise gilt das auch für den Trumpf dieser Produktion. Rolf Hoppe brilliert zwar in seiner Rolle als Hausmeister Frank, aber ein rauschebärtiger Märchenopa als Abgesandter der Finsternis ist etwa so beeindruckend wie Käpt'n Blaubär on Elmstreet. Ähnlich verhält es sich mit dem restlichen Staraufgebot. Zwar lohnt es sich durchaus, die „Geisterstunde“ wegen Horst Buchholz, Jan Niklas, Corinna Harfouch und Christoph M. Orth anzugucken, aber auch ihnen gelingt es nicht, die Künstlichkeit der Umsetzung des braven Plots zu überspielen. Special Effects mit dem Charme und der Raffinesse des Blitzes aus der Duracell-Werbung erschlagen selbst das facettenreichste Spiel.

Was „Geisterstunde“ inhaltlich allein einen gewissen Pfiff verleiht, sind Kleinigkeiten. Wenn Thomas Heinze beispielsweise „Nur über meine Leiche“ sagt und dabei den Kinofilmtitel eines der beiden Drehbuchautoren zitiert, kann man zumindest schmunzeln. Und wenn Christoph M. Orths Kopf von einer Schreibtischlampe geröstet wird, ein durchsichtiger Mann in Rammstein-Manier „Feuer“ dröhnt und der böse Produktionschef effektvoll seiner gerechten Strafe zugeführt wird, dann hat das Trash-Qualitäten. Schade nur, daß der Film insgesamt dann doch zur politically korrekten und großfamiliengerechten Gruselseife geriet, in der Mensch und Parallelweltenspuk einander brüderlich unter die Arme greifen. Fleißig Gläserrücken, und alles wird gut. Ania Mauruschat