Wohnzimmer total

■ Geburtstagsgruß via TV: „Alles Gute“ (So., 17 Uhr, MDR)

Der MDR als Deutschlands einziger Realsatire-Sender ist ein Camp für Hartgesottene. Zuweilen geht die Kamera ganz nah ran und tief hinein in die (ost-)deutschen Seele: ins Wohnzimmer also. Dort, wo tatsächlich immer noch röhrende Hirsche hängen und kunstlederne Sofas strahlen. Deutschland privat.

Wo man bei „Bitte lächeln!“ den Ertrag der grassierenden Videowut absahnt und Heiter-Komisches aus dem Familienleben sendet, liefert „Alles Gute“ die Tristesse eines Volkes, das auf die Warholschen 15 Minuten Berühmtheit nicht mehr rechnen kann und sich mit der eigenen Videokamera zumindest 60 Sekunden Gerechtigkeit holt, die in einer TV-Version der aus Land- und Privatfunk hinlänglich bekannten Geburtstagsgrußsendungen aufgehen.

Petra Kusch-Lück, altgediente DDR-Moderatorin, verkündet Grüße an Geburtstagskinder. Mal ist ein Foto des Jubilars mit eingeblendet, mal ein Verslein mitgeschickt: „Kaum zu glauben, aber wahr/ Frau Döring wird heut' 90 Jahr'.“ Verse, die von Herzen kommen und die von Petra Kusch- Lück mit stets strahlendem Gesicht in die Kamera gesprochen werden, wie auch die Ankündigung eines Zuschauervideos. Oma Irmgard hat Geburtstag, und die Familie hat sich fein gemacht. Gern wird ein Blumenstrauß dekorativ ins Bild gerückt, und oft läuft im Hintergrund der Fernseher oder das Radio. Sitzen Ehepaare grüßend vor der Kamera, spricht eigentlich immer nur die Frau. Die Wünsche werden im allgemeinen stockend aufgesagt. Viel Freude haben die Grußboten offensichtlich nicht daran. Starr und steif probiert man die eigene Fernsehtauglichkeit. Sehenswert.

Dann kommt wieder Frau Kusch-Lück ins Bild. Auf dem Tisch steht ein „Fleurop“-Blumengesteck, die Kaffeetasse ist wie immer leer, die Kuchensorte wechselt von Woche zu Woche – mal Bienenstich, mal Himbeerstück –, aber das ist auch egal, denn nie ißt sie ein Stück davon.

Manchmal kommt eine unsägliche Handpuppe namens Max ins Bild; ein Glücksschwein, das komisch gemeinte Dialoge absondert und immer wieder Glückwunschkandidaten mit der Kamera überrascht. Egon D. aus Dresden darf sich freuen, daß Achim Mentzel aus einem Schweinestall herauslugt und ein Ständchen singt. Jens S. aus Strotta, der eigentlich nur im Rathaus seinen Führerschein abholen wollte, muß sich jetzt wohl für einige Monate vor seinen Freunden schämen.

Aber schon lächelt Petra Kusch- Lück wieder zwischen ihren Blumengestecken hervor, und die Welt ist wieder in Ordnung. Axel Schock