"Das Bier von hier"

■ Härle-Brauerei feiert 100jähriges. Das Bier wird nur in der nahen Umgebung verkauft. Gottfried Härle: "Umweltgerechtes Produzieren muß belohnt werden"

Ein herber Hefegeruch durchzieht das alte Ziegelsteingebäude. Um die Jahrhundertwende gebaut, braut hier noch der Urenkel des Gründers sein „Bier von hier“ Hier, das ist mitten im grünen Allgäu. Hier, das ist auch eine der politisch tiefschwarzen Gegenden Baden-Württenbergs. Und hier hat Gottfried Härle, Chef der Leutkircher „Brauerei Clemens Härle“ das Experiment gewagt, seinen Betrieb auf den ökologischen Prüfstand zu stellen. In dem 40seitigen Umweltbericht steht, was die Brauerei noch so alles außer Bier produziert. Aufgelistet sind Energie- und Wasserverbrauch, Schadstoffemissionen, der Verbrauch an Desinfektionsmittel und sogar, wieviel Arbeit die Kläranlage von Leutkirch verrichten muß, um die Abwässer der Brauerei zu reinigen.

In der frostigen Lagerhalle, in der das Bier reift, schildert Härle, wie ihm vor über vier Jahren, als er den Verband „Unternehmensgrün“ mit ins Leben gerufen hatte, die Idee dazu kam. „Viele mittelständische Unternehmer sind zwar willig, ihre Betriebe ökologisch umzugestalten, aber die oft knappen finanziellen Resourcen werden nicht dort eingesetzt, wo der größte Umwelteffekt erzielt wird“, erklärt Härle. Und weil in kleinen Betrieben eben jede Mark zähle, müßten die Umwelteinwirkungen ebenso systematisch wie die Arbeitsproduktivität untersucht werden.

Doch obwohl in den offenen Bottichen der Biergärung keine genmanipulierte Hefe zu finden ist, hält der gelernte Volkswirt nichts vom blinden Öko-Aktionismus. Wenn die ökologische Umstellung den Betrieb zugrunde richte, hätte man nur eine Menge Arbeitslose, aber sonst nichts gewonnen, brummelt Härle in seiner oberschwäbischen Mundart. Viel wichtiger sei es, und dabei wiederum leuchten seine Augen, die ökologischen Fehler im Produktionsablauf zu erkennen und diese dann so umzustellen, daß es sich immer noch für den Unternehmer lohne. Deshalb versuche er, seitdem 1994 der Umweltbericht erschienen ist, die Schwachstellen im eigenen Betrieb zu beseitigen. „Leider suchen wir immer noch ein ganz und gar befriedigendes Recyclingverfahren für die Naßetiketten, die immerhin 45 Prozent der Abfälle ausmachen“, erklärt Härle. Auch an der Einsparung von Strom- und Wärmeenergie wird hart gearbeitet, beispielsweise daran, wie zum Beispiel ein mit Rapsöl angetriebenes Blockkraftheizwerk installiert werden könnte.

Energieverschwender sind Gottfried Härle ein Dorn im Auge. So iniziierte er vor einem Jahr eine Kampagne, die das Allgäu zur „dosenfreien Zone“ erklärte. „Energieverschwendung wie bei der Herstellung von Dosenbier darf sich nicht mehr rentieren. Die Dosen sind eine Umweltsauerei, die zudem dazu führen, daß die kleinen, mittelständischen Brauereien verdrängt werden“, beklagt Härle bitter. Deshalb ist für ihn eine Steuerreform schon längst überfällig, die umweltgerechtes Produzieren belohnt.

Zum umweltgerechten Wirtschaften gehört für ihn auch, daß sich die kleinen Brauereien auf die Regionalisierung der Vertriebswege konzentrieren, auch wenn das eine Beschränkung der Einnahmen bedeutet. Härle verkauft die Produkte seiner Brauerei nur im Umkreis von 50 Kilometern. Die Zutaten zur Herstellung des Bieres stammen alle aus kontrolliert-integrierter Landwirtschaft der oberschwäbischen Umgebung. Gegen den Begriff des „Bio-Biers“ allerdings wehrt er sich. „Das Bier müßte dann bundesweit verkauft werden, um rentabel zu sein, und das wäre wegen der langen Vertriebswege nicht mehr ökologisch.“ Zudem, so gibt Härle freimütig zu, sei die Produktion von Biobier eine Preisfrage. Die Rohstoffe aus biologisch-dynamischem Anbau seien doppelt so teuer wie die aus integriertem. Und den Preis zahle der Verbraucher für einen Kasten Bier nicht. Fraglich sei auch, ob das die hiesigen Bauern überhaupt leisten könnten. „Wenn die Rohstoffe erst von weit hergeholt werden müssen, ist der ökologische Nutzen zum Teufel“, gibt Härle zu bedenken.

Für den modernen Betrieb mit 34 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von acht Millionen Mark scheint sich diese Beschränkung der Vertriebswege auszuzahlen. Bis zu fünf Prozent mehr Umsatz konnte die Brauerei im letzten Jahr vorweisen, und das stärkt die Motivation. „Die Mitarbeiter sind sehr engagiert, was Vorschläge im Bereich der Umwelttechnik und Arbeitszeit angeht“, freut sich Härle. So kommen seine Angestellten regelmäßig in den Genuß eines langen Wochenendes, da sie beschlossen, an vier Wochentagen länger zu arbeiten.

Inzwischen kommen Ideen von außen. Ein Mitarbeiter des Brauereiverbandes las den Umweltbericht und wies den Allgäuer auf ein Verfahren hin, das es ermöglichte, die Filter zum Reinigen des Bieres zu kompostieren. Immerhin eine künftige Einsparung von 1,38 Tonnen Müll. Doch auch wenn in diesem Jahr das hundertjährige Jubiläum der Brauerei gefeiert wird, legt der rührige Allgäuer die Hände nicht in den Schoß. Schließlich soll die nächste Ökobilanz noch besser ausfallen. Eva Blank